Fleisch- und Milchkonsumenten gehen davon aus, dass durch besseres Futter und mehr Auslauf bei den Biokühen alle Probleme der Nutztierhaltung gelöst seien. Bisher gab es jedoch kaum wissenschaftliche Studien zur Tiergesundheit auf Biohöfen.
Kleinere Studien in diversen Ländern deuteten zwar bereits darauf hin, dass es um die Gesundheit der Biokühe kaum besser steht als um diejenige der konventionell gehaltenen und gefütterten Tiere. Dennoch war dies noch nie Gegenstand einer umfangreichen Untersuchung in deutschen (oder Schweizer) Ställen.
Für Deutschland wurde diese Wissenslücke nun geschlossen. Man untersuchte dabei vor allem die Mastitis (= Euterentzündung) und Lahmheit der Tiere.
Mastitis ist generell bei allen Milchkuhhaltern ein grosses Problem. Allein durch diese Krankheit büssen die Milchbauern rund 10% ihrer Einnahmen ein. Deshalb war es natürlich für die Agronomen besonders interessant herauszufinden, wie es in dieser Hinsicht um die Gesundheit der so genannten Biokühe steht. Das Resultat war ernüchternd: Biokühe haben genauso oft Mastitis wie die konventionell gehaltenen Tiere (rund ein Drittel aller Kühe war betroffen).
Woher kommt das? Die moderne Zucht auf Maschinentauglichkeit und Leichtmelkigkeit hat dazu geführt, dass die Schliessmuskeln der Zitzen immer schwächer geworden sind. Und auch ihre Form erlaubt es heute Krankheitserregern viel einfacher in das Euter einzudringen. Auch die Biokühe müssen möglichst viel Milch geben. Bei der Untersuchung lag der Durchschnitt bei über 20 Litern Milch pro Tag, mit Spitzenwerten bis über 30 Litern. Kurz nach der Geburt des Kalbes ist die Milchleistung generell am höchsten (bis ca. 60 Liter täglich). Eine solche Leistung ist auch bei den Biokühen nicht mit artgerechtem Futter alleine (Gras und Heu) zu erreichen. Das Kraftfutter der Biokühe stammt zwar aus biologischem Anbau, widerspricht aber einer artgerechten Fütterung der Wiederkäuer. Ausser 45 bis 60 Tage vor der Geburt des nächsten Kalbes werden die Kühe ständig gemolken. Während dieser rund 8 Wochen vor der Geburt des nächsten Kalbes werden die Kühe «trocken gestellt». Das heisst: nicht mehr gemolken. Dazu bekommen sie in der Regel bei konventioneller Haltung Antibiotika, welche nicht nur helfen, den Milchfluss zu unterbinden, sondern auch der Euterentzündung vorbeugen. Diese Antibiotika-Behandlung wird bei der Biomilchproduktion zurückhaltender eingesetzt, weshalb dort häufiger Entzündungen des stark beanspruchten Euters vorkommen. Alleine für diese Euterbehandlungen werden in der Schweiz jährlich rund zwei Tonnen Antibiotika verbraucht.
- J. Brinkmann, C. Winckler: Status quo der Tiergesundheitssituation in der ökologischen Milchviehhaltung – Mastitis, Lahmheiten, Stoffwechselstörungen. Beitrag präsentiert bei der Konferenz: 8. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau – Ende der Nische, Kassel, 01.03.2005–04.03.2005; Veröffentlicht in Hess, J., und Rahmann, G., (Hrsg.) Ende der Nische, Beiträge zur 8. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau. Kassel university press GmbH, Kassel.
- Dr. Manfred Stein: Profitkiller Mastitis: vorbeugen und heilen
- Antibiotisches Trockenstellen
- Natur+Kosmos 09/2005: Schweinerei im Ökostall
- Mastitis: Kein Wundermittel gegen die Kuhkrankheit Nummer Eins, bio aktuell, Nr. 9/2000