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Klimaschutz der Lobbyisten

Zu tausenden gehen die Schüler auf die Strasse. Sie fordern, dass die Politik das Problem «Klimawandel» endlich ernst nehmen muss. Was läuft in der Politik falsch?

«Die Politik» hat bereits viel getan: Es gibt heute schon über 400 Energiestädte. Sie umfassen damit 60 % der Einwohner in der Schweiz. Der Bau von Solaranlagen wird gefördert. Mit dem Gebäudeprogramm wird die energetische Sanierung von Gebäuden finanziell unterstützt.

Dennoch gibt es auch die andere Seite: Die Politik verhindert die Besteuerung des Flugbenzins und des Treibstoffs landwirtschaftlicher Fahrzeuge. Die Einführung eines klimafreundlicheren vegetarischen Wochentags wurde von praktisch allen Schweizer Energiestädten abgelehnt (die anderen Ortschaften wurden gar nicht erst angefragt). Der VW-Konzern hat trotz seiner klimabelastenden Lügen von der Schweizer Politik nichts zu befürchten. Weiterhin werden die klimaschädlichsten Nahrungsmittel (Fleisch und Milch) neben dem Zucker am stärksten subventioniert.

Gibt es eine Logik zwischen den Taten und Unterlassungen?

Die Aufteilung in klimafreundliche Aktionen und klimaschädliche Unterlassungen der Politik hat einen gemeinsamen Ursprung: Es wird nur das gefördert, was zumindest einem Wirtschaftskreis dient. Oder anders ausgedrückt: Wenn eine Aktion eine genug grosse wirtschaftliche Lobby hat, wird sie von der Politik umgesetzt. Beispielsweise sitzen in Gremien zur Energiestadt Vertreter verschiedener Firmen. Solche, die Wärmepumpen verkaufen oder Dämmmaterial oder solche, die sonst eine effiziente Energieausbeutung fördern. Diese Dinge fliessen dann in die Handlungen ein. Es geht hier also immer um ein noch-mehr an Konsum – oder schlicht um Verkaufsförderung. Diese Vorgehensweise mag einige Vorteile haben. Z.B. nützt es durchaus dem Klima, wenn eine Solarfirma ihre wirtschaftlichen Interessen einbringt, da damit mehr nachhaltiger Strom erzeugt werden kann. Die Bereiche, die keine eigene Lobby haben, gehen jedoch völlig unter.

Ohne Lobby kein Klimaschutz

Keine Wirtschaftslobby setzt sich für einen geringeren Konsum ein. Weniger fliegen, weniger Auto fahren, weniger Fleisch- oder Milchprodukte konsumieren würden dem Klima enorm viel bringen. Doch all dies findet in der Politik keine Mehrheiten, da man damit keiner Wirtschaftslobby einen Gefallen tut, hingegen aber die verärgert, die davon profitieren. In den politischen Reden werden deshalb praktisch nur technische Lösungsansätze für die Verlangsamung des Klimawandels thematisiert, weil damit eine Wirtschaft unterstützt wird. Schon vor Jahren hat selbst die Ernährungsorganisation der Uno, die FAO, eine über 400-seitige Studie veröffentlicht, in der sie klar festgehalten hat, dass der Konsum tierischer Produkte mehr zum Klimawandel beiträgt, als der gesamte globale Verkehr (inkl. Flugzeuge und Kreuzfahrtschiffe!). Dieselbe Studie zeigt jedoch auch wieder das Muster: Mit keinem Wort wurde auch nur erwähnt, dass man den Konsum tierischer Produkte reduzieren sollte. Stattdessen wurden auch dort als «Lösung» nur technische Massnahmen empfohlen. Diese gehen von der Förderung der Forschung zu genetisch veränderten Nutztieren bis zu hermetisch abgeriegelten Ställen mit Luftfilteranlagen.

Authentizität und Glaubwürdigkeit

Hinzu kommt, dass die meisten Politiker ihre Glaubwürdigkeit in Umweltfragen längst verloren haben. Selbst an Klimagipfeln wird vorzugsweise mit dem Flugzeug angereist und die Mahlzeiten bestehen in erster Linie aus klimaschädlichen tierischen Produkten. Bei den Flugreisen kann man natürlich argumentieren, dass der enge Terminkalender eines Politikers eine andere Reiseart nicht zulässt. Doch was ist die Ausrede bei der klimaschädlichen Ernährung? Alle Politiker könnten sich sofort von pflanzlichen Produkten ernähren. Dazu ist nicht einmal eine so grosse Investition nötig wie bei Solaranlagen oder Elektroautos. Der gute Wille reicht. Doch gerade daran scheint es zu fehlen. Und deshalb ist es gut, dass nun die Schüler auf die Strasse gehen und endlich eine Umweltpolitik fordern, die diesen Namen auch verdient und nicht nur verdeckte Wirtschaftsförderung darstellt. 

Renato Pichler
Swissveg Präsident & Geschäftsführer

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