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Kultiviertes Fleisch / "Laborfleisch"

Kultiviertes Fleisch wird auch als In-Vitro-Fleisch oder "Clean Meat" bezeichnet. Forscher sehen Zukunftspotenzial. Doch noch sind Fragen offen.

Das Prinzip hinter dem In-Vitro-Fleisch ist relativ simpel: Fleisch soll in der Zukunft nicht mehr durch das Schlachten von Tieren erzeugt werden, sondern durch die Entnahme und Teilung ihrer Zellen. 
Neben dem Bereich der rein pflanzlichen Fleischalternativen investieren nun immer mehr Firmen in das neue "kultivierte Fleisch". Im Juli 2018 hat auch die Schweizer Grossmetzgerei Bell 2 Millionen EURO in diesen Bereich investiert. 2019 investierte die Migros in das israelische Unternehmen Aleph Farms. Und Mosa Meat hat im Mai 2023 eine erste Grossproduktionsanlage in den Niederlanden eröffnet.

2021 wurde in der Schweiz von Givaudan, Bühler und der Migros eine erste Pilotanlage für kultiviertes Fleisch gegründet. 

Wie funktioniert die Kultivierung von Fleisch?

Zuerst werden durch eine Biopsie am lebenden Tier Myosatellitenzellen (Stammzellen von Muskeln) entnommen. Die Funktion dieser Stammzellen besteht darin, dass sie neues Muskelgewebe erzeugen, wenn eine Verletzung des Muskels besteht. Diese werden anschliessend in ein Nährmedium eingelegt, welches es ihnen ermöglicht, sich zu vermehren. Die Muskelfasern kommen samt Nährmedium in einen Bioreaktor und werden dort unter idealen Bedingungen kultiviert. Sobald sich genug dieser Zellen gebildet haben, werden sie geschichtet und geformt, sodass sie aussehen wie herkömmliches Fleisch.1

Wie ergeht es den Tieren dabei?

Die Muskelstammzellen werden den Tieren durch eine Muskelbiopsie entnommen. Bei Tieren erfolgt dieser Eingriff in der üblichen Praxis unter lokaler Betäubung mit einer Biopsienadel oder einem Stanzinstrument.2 Es ist unklar, wie schmerzhaft dieser Eingriff für das Tier ist. Einzig Mosa Meat gibt auf seiner Webseite an, dass die Tiere für die Entnahme betäubt werden. Bei den restlichen Unternehmen findet man auf den Internetseiten keine Informationen zum Vorgang.  Auch weiss man nicht, unter welchen Bedingungen die Tiere weiterleben. In der Regel werden diese Tiere jedoch eher besser behandfelt als in der üblichen Nutztierindustrie, da man optimal gesunde Zellen gewinnen will. Zudem kommen für die Grundlagenforschung im Bereich der Zellkultivierung (u.a. Verfahrensentwicklung zur Herstellung von Laborfleisch) sowie der regenerativen Medizin Tierversuche zum Einsatz.3

Damit sich die Zellen überhaupt vermehren können, müssen sie in ein Nährmedium gelegt werden. In der Anfangsphase wurde dafür Kälberserum verwendet, da dies druch die Pharmaindustrie bereits für denselben Zweck genutzt wird. Zur Gewinnung wird eine schwangere Kuh geschlachtet und dieser dann der Fötus aus der Gebärmutter herausgeschnitten. Dem noch lebenden und nicht betäubten Kalb wird eine dicke Nadel zwischen die Rippen durch Haut und Muskeln gestochen und direkt ins schlagende Herz gestossen. Dann wird soviel Blut abgesaugt, bis keines mehr übrig ist und das Tier stirbt. Die ganze Prozedur wird am lebenden Kalb durchgeführt, da durch das schlagende Herz eine höhere Menge an Blut abgesaugt werden kann, und dieses nicht gerinnt. Studien gehen davon aus, dass Kälberfeten zumindest im letzten Drittel der Schwangerschaft schon leidensfähig sind.4 Viele der Unternehmen, die sich mit der Forschung oder der Herstellung von kultivirtem Fleisch beschäftigen (siehe Liste unten), geben auf ihren Webseiten nicht an, welches Nährmedium sie verwenden. Einzig JUST, Inc. gibt an, ein pflanzenbasiertes Nährmedium zu verwenden. New Harvest gibt an, in das Start-Up Mosa Meat 2015 50'000 US-Dollar in die Forschung einer tierfreien Methode investiert zu haben.
Es kann aber davon ausgegangen werden, dass alle Firmen vor einer Marketeinführung ihrer Produkte vom Kälberserum weg kommen, da dieses viel zu teuer für eine Massenproduktion ist.

Wie gesund ist In-Vitro Fleisch?

Da das im Labor hergestellte Fleisch in einem keimfreien Umfeld wächst, gibt es kein Risiko einer Infizierung mit Bakterien wie z.B. Salmonellen. Die Zellen sollen gezielt von gesunden Tieren entnommen werden und deshalb frei von Antibiotika sein. Derzeit ist die Umgebung der Zellenvermehrung jedoch (noch) nicht ganz keimfrei, deshalb kommen auch hier meist noch Antibioitika zum Einsatz. Die gesundheitlichen Nachteile des übermässigen Fleisch- und Fischkonsums bleiben jedoch trotzdem bestehen und somit auch das Risiko, an einer der vielen Zivilisationskrankheiten zu erkranken. Derzeit besteht jedoch kein Grund zur Annahme, dass das kultivierte Fleisch ungesünder ist, als normales Fleisch. Im Gegenteil: Die Inhaltsstoffe des gezüchteten Fleisches können besser gesteuert werden als bei der herkömmlichen Fleischproduktion in einem Stall.

Ökologische Auswirkungen von kultiviertem Fleisch

Die ökologischen Auswirkung der Herstellung von Laborfleisch wurde noch nicht weitgehend untersucht, da noch kein grosstechnisches Verfahren existiert, dass man als Referenz nehmen könnte. Gemäss einer von der American Chemical Society publizierte Studie, wird der Land- und Wasserverbrauch, sowie auch die Treibhausgasemissionen in der Herstellung von kultiviertem Fleisch zwar verringert, wobei sich der Energieverbrauch jedoch sogar erhöhen könnte. 

Wie steht Swissveg zum neuen Fleisch?

Wenn man Fleisch vollständig ohne Tierausbeutung herstellen kann, begrüssen wir dies natürlich. Wenn es zudem auch die natürlichen Ressourcen schont, wäre auch dies ein Pluspunkt. Zum gesundheitlichen Aspekt können wir derzeit noch nicht viel sagen. Vermutlich wird es aber nicht ungesünder sein als konventionell produziertes Fleisch.
Entscheidend ist in jedem Fall jedoch die Nährlösung: So lange diese tierischen Ursprungs ist, ist auch das damit hergestellte Fleisch problematisch. Doch wir sehen in diesem Bereich glücklicherweise grosse Fortschritte.

Hat kultiviertes Fleisch auch bei Vegetariern und Veganern eine Chance?

Grundsätzlich muss hier gesagt werden, dass das kultivierte Fleisch nicht für diese Kundengruppe entwickelt wird (was Prof. Mark Post bestätigt). Für Vegetarier/Veganer gibt es schon genügend Fleischalternativen. Die Produkte werden für (noch) Fleischesser entwickelt, damit deren Umweltschäden und die mit ihrer Ernährung zusammenhängende Tierausbeutung reduziert wird – selbst wenn sie auch in Zukunft nicht auf Fleisch verzichten wollen. 
 Vegetarier/Veganer die aus gesundheitlichen Gründen kein Fleisch essen, werden auch kein kultiviertes Fleisch konsumieren. Da das neue Fleisch sehr aufwändig hergestellt wird und es schon viele gute rein pflanzliche Fleischalternativen gibt, sehen wir keinen Grund viel mehr Geld für etwas auszugeben, dass nicht nötig ist. Das Beste was heute in grösseren Mengen herstellbar ist, ist Hackfleisch (z.B. für Burger). Dafür gibt es jedoch schon längst sehr gute pflanzliche Alternativen auf dem Markt, die man z.B. in einer Sauce nicht von "echtem" Fleisch unterscheiden kann. Wozu also das Laborfleisch?
Jede Alternative zur herkömmlichen auf Tierleid aufbauenden Fleischproduktin ist jedoch zu begrüssen.

Einschätzung zum Marktpotenzial von Laborfleisch

Die pflanzlichen Fleischalternativen sind bereits sehr gut und werden sich in den kommenden Jahren noch weiter entwickeln. Da wird es für kultiviertes Fleisch, das ganz am Anfang steht sehr schwer, diesen grossen Entwicklungsvorsprung der pflanzlichen Produkte aufzuholen. Hinzu kommt, dass die pflanzlichen Alternativen wesentlich einfacher und schneller – und somit günstiger – hergestellt werden können. Deshalb sehen wir im kultivierten Fleisch einen Nischenmarkt, der sich vermutlich in einigen Jahren schon etablieren wird, jedoch nicht als Massenkonsumprodukt für die tägliche Ernährung der breiten Bevölkerung.

Unternehmen, die sich mit der Herstellung oder Forschung von kultiviertem Fleisch beschäftigen:

Cultured Beef/Mosa Meat (Maastricht, Niederlande)
Prof. Mark Post und sein Team führen an der Universität Maastricht das Projekt «Cultured Beef». Um das Projekt finanzieren zu können und die Forschungen dafür anzutreiben, gründeten Mark Post und Peter Verstrate «Mosa Meat». Im August 2013 präsentierte das Team den ersten In-vitro-Fleisch-Burger aus Rinderstammzellen. Coop Tochter «Bell Food Group» ist Investor und beteiligt sich mit rund 2.3 Millionen Franken am Projekt des Start-Ups. 

Memphis Meats (San Francisco Bay Area, USA)
Das Unternehmen wurde 2015 gegründet und hat ein Jahr später bereits das erste In-Vitro-Fleischbällchen präsentiert. 2017 stellten sie dann das erste In-Vitro-Geflügel vor. Memphis Meats wird von der gemeinnützigen Organisation «The Good Food Institute» unterstützt.

New Harvest (New York, USA)
New Harvest hat sich auf die Forschung zellulärer Landwirtschaft spezialisiert. Sie unterstützen jeglichste Institutionen und Privatpersonen, die sich mit der Forschung in diesem Bereich beschäftigen und informieren die Öffentlichkeit über die Fortschritte in diesem Gebiet. 

JUST, Inc. (USA)
Konzentriert sich unter anderem auf die Herstellung verschiedener Produkte, die auf der Grundlage von pflanzlichen Proteinen produziert werden. Bekannt wurde das Unternehmen durch ihre pflanzliche Mayo, die mithilfe gelber Erbsen hergestellt wird.  Auch sie entwickeln Fleisch (Just Meat)

Finless Foods (USA)
Finless Foods wurde 2017 gegründet und beschäftigte sich bisher mit der Forschung und Entwicklung von kultiviertem Fisch. Der erste Laborfisch wurde dann im September 2017 getestet. Seit Juni 2018 haben sie ein Startkapital von 3.5 Millionen US-Dollar erlangt.5

Wild Type (USA)
Ein 2016 gegründetes Start-Up, welches zurzeit ein Startkapital von 3.5 Millionen US-Dollar zur Verfügung hat. Das erste Laborfleisch soll Lachs sein, danach wollen sie auch diverse andere Fleischsorten herstellen.6

Shojinmeat Project (Tokio, Japan)
In dem 2015 von Yuki Hanyu gegründete «Shojinmeat Project» beschäftigen sich ca. 30 Wissenschaftler unter anderem mit der Forschung an kultiviertem Fleisch. Im Gegensatz zu Unternehmen wie Mosa Meat oder Memphis Meats, konzentrieren sie sich auf die Produktion von Foie gras: eine kulinarische Spezialität, die aus der Leber von fünf bis sechs Monate alten Gänsen oder Enten gewonnen wird.7

Supermeat (Israel)
«Supermeat» beschäftigt sich mit der Forschung und Herstellung von kultiviertem Hähnchenfleisch.8 Zu Beginn 2018 hat das Unternehmen dank einem Investment von New Crop Capital und Stray Dog Capital ihr Kapital um 3 Millionen US-Dollar erhöhen können. Auch der deutsche Geflügelproduzent Wiesenhof hat sich an dieser Kapitalerhöhung beteiligt.

Dies ist nur ein Auszug: Heute gibt es bereits viele weitere Firmen in diesem stark wachsenden Markt.

Wo liegen derzeit noch die Hauptprobleme?

Bisher kann man mit grossem Aufwand aus Kälberblut Hackfleisch erzeugen. Um ein richtiges Stück Fleisch ohne Tiertötung herstellen zu können, müssen noch folgende Probleme gelöst werden: 

  1. Als Nährmedium der Zellen muss eine pflanzliche Alternative gefunden werden. (hier scheinen einige Fimen bereits am Ziel zu sein)
  2. Natürliches Fleisch enthält nicht nur Muskelzellen. Für einen echten Geschmack müssen deshalb auch Fettzellen (als Geschmacksträger) mit den Muskelzellen kombiniert gezüchtet werden können. (Es gibt bereits spezialisierte Firmen die Fettzellen vermehren)
  3. Ein Steak ist mehr als eine breiige Masse aus Zellen – deshalb muss auch an der Struktur noch gearbeitet werden.
  4. Der Preis muss drastisch sinken, um einigermassen konkurrenzfähig zu sein.
  5. Eine effiziente grosstechnische Herstellung gibt es derzeit noch nicht - ist aber im Aufbau.
  6. Die Akzeptanz der Konsumenten muss verbessert werden: Weshalb sollen die Konsumenten, die bereits alle pflanzlichen Alternativen abgelehnt haben, nun das kultivierte Fleisch dem herkömmlichen vorziehen?

Stand: August 2018 / überarbeitet: Mai 2023

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