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10.05.2022 | Christine

Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt in ihrem neuen Bericht vom 3. Mai 2022 vor den Ausmassen der Adipositas-Epidemie. Mehr als die Hälfte aller Erwachsenen in Europa ist übergewichtig oder adipös; Tendenz steigend. Dennoch besteht gemäss der WHO Hoffnung; die Epidemie sei mit den entsprechenden politischen Massnahmen umkehrbar.

Der neue Sachstandsbericht der WHO zeigt: 59% der Erwachsenen und knapp ein Drittel der Kinder in Europa sind von Übergewicht oder Adipositas (schwerem Übergewicht) betroffen. Damit ist Europa nach Amerika die Region mit der zweithöchsten Adipositas-Prävalenz. Übergewicht und Adipositas erhöhen das Risiko für nichtübertragbare Krankheiten (engl. «Non-Communicable Diseases» bzw. NCD) wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs und Atemwegserkrankungen und zählen zu den Hauptursachen für Tod und Behinderung. 

NCD belasten das Gesundheitssystem

Die Entstehung von NCD hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem dem Lebensstil; wer gesund lebt, kann deren Entstehungsrisiko verringern und Folgen abschwächen. Doch insbesondere die letzten zwei Jahre während der Pandemie haben zu negativen Veränderungen im Lebensstil geführt. Die WHO geht davon aus, dass sich die unausgewogene Ernährungsweise und fehlende Bewegung  in den nächsten Jahren deutlich bemerkbar machen werden. Nicht nur wird die Prävalenz der NCD ansteigen, sondern auch die damit einhergehenden Gesundheitskosten. Bereits heute machen gemäss dem Bundesamts für Gesundheit BAG NCD einen Grossteil der Gesundheitskosten in der Schweiz aus:

Durch die meist langen Krankheitsphasen dauern Behandlungen von NCD lange und sind pflegeintensiv. [...] Alle NCD zusammen verursachen mehr als CHF 50 Mrd. der Gesundheitskosten, was einen Anteil von etwa 80 Prozent ausmacht.

Das BAG sagt zudem voraus, dass aufgrund der demografischen Entwicklung sich diese Problematik verschärfen werde, weshalb es mittels der NCD-Strategie dagegen wirken wolle.

Massnahmen gegen NCD und Adipositas

Gemäss der WHO sei ein Rückgang der steigenden Adipositas-Prävalenz entscheidend, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2025 zu erreichen. Allerdings erreiche keiner der europäischen Mitgliedstaaten – zu denen auch die Schweiz gehört – die globale Zielvorgabe der WHO für NCD. Dennoch ist der Regionaldirektor der WHO für Europa, Dr. Hans Henri P. Kluge, zuversichtlich:

Durch die Schaffung befähigenderer Umfelder, die Förderung von Investitionen und Innovation im Gesundheitsbereich und die Entwicklung starker und widerstandsfähiger Gesundheitssysteme können wir eine Kursänderung im Hinblick auf Adipositas in der Region erreichen.

Die WHO schlägt in ihrem Bericht einige politische Interventionen auf Ebene der Gesamtbevölkerung vor, um die Adipositas-Epidemie zu stoppen und umweltverträgliche Ernährungssysteme zu schaffen. Dazu gehören unter anderem die «Subventionierung gesunder Lebensmittel» und die «Bemühungen um eine Verbesserung der Ernährung», wobei «schulische Interventionen» explizit genannt werden. Weiter solle die «Vermarktung von ungesunden Lebensmitteln an Kinder» beschränkt werden.

Situation in der Schweiz

Ein Blick in die Schweiz zeigt, dass bezüglich der von der WHO vorgeschlagenen Massnahmen noch Handlungsbedarf besteht:

  • Anstatt die Subventionierung gesunder Lebensmittel zu fördern, fliesst der Grossteil der landwirtschaftlichen Direktzahlungen in die Produktion tierischer Lebensmittel. Im Jahr 2020 betrugen die Direktzahlungen vom Bund an die Schweizer Landwirtschaft 2.8 Milliarden Franken. Immerhin hat der Bund im landwirtschaftlichen Verordnungspaket 2022 beschlossen, den Anbau pflanzlicher Proteine für die menschliche Ernährung zu fördern. Bisher waren diese Direktzahlungen ausschliesslich für Futtermittel vorgesehen. Dennoch wäre es sinnvoll, die Produktion weiterer pflanzlicher Lebensmittel wie Früchte und Gemüse vermehrt zu fördern und eine Fleischsteuer einzuführen.
  • Unsere Steuergelder fliessen nicht nur in die Produktion tierischer Lebensmittel, sondern auch in die Fleischwerbung. Diese wird jährlich mit sechs Millionen Franken subventioniert. Zusätzlich unterstützen wir mit unseren Steuergeldern die Werbung der Milchwirtschaft. Eine der grössten Werbekampagnen ist der Tag der Pausenmilch von Swissmilk, der jedes Jahr im November stattfindet. An diesem Tag erhalten Schulkinder und Lehrpersonen gratis Kuhmilch, welche ihnen als «abwechslungsreiche Zwischenverpflegung und gesunde Alternative zu Süssgetränken und Snacks» präsentiert wird und das, obwohl die gesundheitliche Wirkung von Milchprodukten umstritten ist. Es wäre sinnvoller, mehr Projekte wie die Pausenapfelaktion zu lancieren, um den Konsum gesunder, pflanzlicher Lebensmitteln zu fördern. Denn die nationale Ernährungserhebung menuCH zeigt, dass in der Schweiz zu viel Fleisch, Süsses und Salziges und zu wenig Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse konsumiert werden. Diese ungesunde Ernährungsweise fördert die Entstehung von NCD und verursacht 50% der Fälle vorzeitiger Sterblichkeit.

Um die Ziele der WHO zu erreichen, fordern wir den Bund dazu auf, den Konsum und die Produktion pflanzlicher Lebensmittel intensiver zu fördern. Dies würde nicht nur den Gesundheitszustand der Bevölkerung verbessern, sondern sich auch positiv auf die Umwelt auswirken.

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