In ihrem neuesten Bericht spricht sich die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) für eine Reduktion der Anzahl Nutztiere in der Schweiz aus und fordert, dass mehr pflanzliche Nahrung für Menschen angebaut wird. Swissveg unterstützt diese Forderung. Es ist nötig, das Reduktionsziel der Treibhausgas-Emissionen der Landwirtschaft anzupassen, um die Klimaziele zu erreichen.
Sonderstatus für die Landwirtschaft
Die Landwirtschaft trägt mit ihren Treibhausgas-Emissionen massgeblich zum Klimawandel bei: Sie ist für mindestens 14% der in der Schweiz ausgestossenen Treibhausgase verantwortlich. Aus diesem Grund werden für die Landwirtschaft im Rahmen der langfristigen Klimastrategie der Schweiz Reduktionsziele festgelegt. Bis 2050 müssen (gegenüber 1990) 40% der landwirtschaftlichen Emissionen reduziert werden. Damit ist das Reduktionsziel für die Landwirtschaft verhältnismässig gering – andere Sektoren sind dazu verpflichtet, ihre Emissionen auf null zu senken. Das Reduktionsziel von 40% ist zu schwach, wie die EKAH in ihrer Pressemitteilung schreibt: «Aus Sicht der EKAH ist dieses politisch festgelegte Reduktionsziel ethisch gesehen unzureichend».
Wie die EKAH in ihrem ausführlichen Bericht schreibt, wird der Landwirtschaft mit diesem tiefen Ziel ein Sonderstatus gewährt, «der sich ethisch nur rechtfertigen lässt, wenn technisch nicht mehr möglich oder politisch nicht mehr umsetzbar ist» (S. 3). Die EKAH ergänzt: «Für beides gibt es aus Sicht der EKAH keine hinreichenden Gründe» (S. 3). Denn die vordergründige Aufgabe der Landwirtschaft ist die Ernährungssicherheit und die Ernährungssouveränität. Wir Menschen haben einen gerechtfertigten moralischen Anspruch auf Nahrung (S. 16). Doch auf welche Nahrung? Die EKAH schreibt, dass wir einen «Anspruch auf Erfüllung der ernährungsbezogenen Grundbedürfnisse» sowie einen «Anspruch auf angemessene Ernährung» haben (S. 17). Ausserdem haben wir ein «Freiheitsrecht, nicht daran gehindert zu werden, zu essen, was man möchte» (S. 18). Doch letzteres muss laut EKAH zurückgestellt werden, «wenn dies zu Emissionen führt, die die Produktionsgrundlagen zerstören, um eine ausreichende und angemessene Ernährung zu garantieren» (S. 19). Somit lässt sich der Sonderstatus der Landwirtschaft mit diesem Argument nicht rechtfertigen.
Wo Emissionen einsparen?
Die Frage lautet nun, wo an Emissionen gespart werden kann. Welche Massnahmen versprechen den grössten Erfolg? Zum einen gibt es die Negativemissionstechnologien (NET). Die Emissionen sollen nicht nur reduziert beziehungsweise ganz vermieden werden, sondern sie sollen kompensiert werden können. Dabei handelt es sich um biologische oder technische Ansätze, die CO2 speichern können. Es sind aber noch viele Fragen offen: Wie rasch können diese Technologien entwickelt werden? Wie sicher sind sie? Somit darf nicht einzig und allein auf diese Technologien gesetzt werden.
Da der Grossteil der Emissionen in der Landwirtschaft aus der Nutztierhaltung stammt, macht es Sinn, auch genau dort anzusetzen (S. 21ff.). Massnahmen im Stallmanagement werden überarbeitet. An der Futterzusammensetzung wird geforscht, um den Methanausstoss zu senken. Doch auch mit diesen Massnahmen sind landwirtschaftliche Emissionen nicht vermeidbar. Vielmehr sollte die die Reduktion der Anzahl Nutztiere in den Fokus gerückt werden. Die EKAH hält fest:
«Eine Reduktion der Anzahl Nutztiere bis hin zu einem vollständigen Verzicht der Nutztierhaltung wäre die wirksamste Methode, Emissionen zu vermeiden» (S. 22).
Lässt sich die Reduktion der Nutztiere ethisch rechtfertigen?
Ja, sagt die EKAH, wenn man zwei Faktoren in Betracht zieht (S. 23ff.): Erstens, die Wirksamkeit von NET und, zweitens, das Potenzial gentechnischer Verfahren. Es ist fraglich, ob NET zeitnah die erforderliche Leistungsfähigkeit erreicht. NET sollte also nur im Hinblick auf unvermeidbare Emissionen zum Einsatz kommen. Auch was gentechnische Verfahren anbelangt, sind sich die Kommissionsmitglieder einig, dass diese Verfahren innerhalb der nötigen Zeit nicht zu den notwendigen Emissionsreduktionen führen können. Daher kann das Problem der Emissionen in der Nutztierhaltung auch dadurch nicht gelöst werden. Deshalb nennt die EKAH die Reduktion der Anzahl Nutztiere im Sinne einer grundlegenden Veränderung des Ernährungssystems als eine «realistische Perspektive» (S.24).
Es kann auf ethischer Ebene dafür argumentiert werden, aus bestimmten Gründen (z. B. Klimawandel) den Fleischkonsum zu reduzieren. So hält die EKAH auch fest:
«Wenn im vorliegenden Kontext die Anzahl der Nutztiere massiv reduziert werden muss, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen, dann impliziert dies, dass die Freiheit, nicht daran gehindert zu werden, soviel Fleisch zu essen, wie man möchte, sofern man es sich leisten kann, unter Umständen zu Recht beschränkt wird» (S. 30).
Die Frage lautet gemäss EKAH vielmehr, wie dies auf politischer Ebene kommuniziert werden sollte.
Höhere Reduktionsziele sind dringend notwendig
Zusammenfassend ist zu sagen: Swissveg unterstützt die Forderung der EKAH, dass deutlich höhere Reduktionsziele für die Landwirtschaft nötig sind, als sie derzeit von der Politik gefordert werden. Dabei sollte laut EKAH vor allem auf folgende Aspekte fokussiert werden (S. 32): Die Landwirtschaft muss dasselbe Emissionsziel erreichen wie andere Bereiche. Dabei darf die Ernährungssicherheit nicht gefährdet werden. Die Reduktionsziele sollten, wann immer möglich, ohne NET erreicht werden. Die Anzahl Nutztiere muss gesenkt werden und in der Schweiz soll pflanzliche Nahrung für den menschlichen Konsum produziert werden.