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Wirtschaftliche Herausforderungen und Chancen

Um den Übergang zu einer veganen Schweiz zu erleichtern, müssen nicht nur die Kostenstruktur und das Angebot an pflanzlichen Alternativen überdacht werden, sondern auch das Verhalten der Konsumierenden muss sich ändern. Grossverteiler spielen dabei mit ihrem Einfluss auf Werbung und Preisgestaltung eine entscheidende Rolle. Gleichzeitig müssen jedoch auch grundlegende Veränderungen in der Landwirtschaft angestrebt werden, um wirtschaftlich sinnvolle und umweltschonende Praktiken zu fördern.

Pflanzlich wird zur Norm

Bereits im Jahr 2021 war jeder sechste verkaufte Burger pflanzlich – fünf Jahre zuvor war es noch jeder 14. Burger. Und das, obwohl ein pflanzlicher Burger im Moment noch durchschnittlich 42 Prozent mehr kostet als ein Fleischburger.1 Überhaupt erst eine Auswahl an pflanzlichen Produkten zu haben, ist also wichtig. Doch auch wo diese platziert werden, ist von Bedeutung: So testet Coop gerade das Anbieten pflanzlicher Produkte neben tierischen Produkten im Offenverkauf.2 Nicht nur im Detailhandel soll das Angebot an pflanzlichen Alternativen aufgestockt und strategisch sinnvoll positioniert werden, auch der Anteil pflanzlicher Kost in Personalrestaurants sollte erhöht werden.

Veränderung des Verhaltens vereinfachen

Eine vielversprechende Möglichkeit, um positive Verhaltensänderungen vermehrt herbeizuführen, ist das sogenannte Nudging.3 Anstatt Menschen lediglich aufzuklären, werden durch Nudging die Rahmenbedingungen so verändert, dass sie eine Verhaltensänderung begünstigen. Zum Beispiel: Das pflanzliche Gericht wird zum Standard. So wird der Griff zur tier- und umweltfreundlichen Variante erleichtert und es besteht eine Hürde bzw. man muss aktiv etwas tun, wenn man sich für die tierische Variante entscheidet. So lassen sich Gewohnheiten statt durch Reflektion durch Veränderung der täglichen Routinen durchbrechen. Denn nur ans Gewissen zu appellieren, reicht nicht immer, wie das Beispiel von Tierwohlprodukten zeigt: Trends wie bio, regional und fair fanden während Corona grossen Anklang. Das war bei tierischen Produkten, inklusive solchen aus sogenannter tierfreundlicher Haltung, jedoch nicht der Fall.4

Wichtige Rolle der Grossverteiler

Auf dem Weg hin zu einer veganen Schweiz spielen auch die Grossverteiler wie Coop, Migros und Aldi eine wichtige Rolle. Zum Beispiel wäre ein Verbot von Werbung für Tierprodukte, wie es schon seit Jahren von Swissveg und mittlerweile auch von diversen anderen Organisationen5 und Wissenschaftler:inen6 gefordert wird, längst fällig. Dazu kommt, dass Fleischprodukte zu günstig verkauft werden. Das ist einerseits der Verteilung der agrarpolitischen Subventionen geschuldet – was auch ein agrarpolitisches Problem ist. Ein weiteres Problem ist jedoch, dass viele Kosten externalisiert, also von der Allgemeinheit getragen werden. Das heisst: Von den 3,6 Milliarden Franken in der Landwirtschaft, die im Jahr 2018 von der Allgemeinheit getragen werden mussten, wurden 76 Prozent durch die Herstellung tierischer Produkte verursacht, während die Pflanzenproduktion nur für 24 Prozent der Kosten verantwortlich war.7 Damit eine Kostenwahrheit vorliegt, müsste eigentlich zahlen, wer die Kosten verursacht. Nicht zuletzt spielt auch die Produktionsmenge eine Rolle: Wenn grössere Mengen produziert werden können, wird die Produktion günstiger. Nicht nur sind Fleischprodukte zu günstig, pflanzliche Produkte sind auch zu teuer. Bei pflanzlichen Produkten werden zwei Drittel der Kosten durch die Konsumierenden bezahlt, bei den tierischen Erzeugnissen nur knapp die Hälfte. Es ist also auch mehr klassische Verkaufsförderung, zum Beispiel mit Aktionen und Rabatten auf pflanzliche Produkte, nötig, um Konsumierende nicht so stark zum Griff nach Fleischprodukten zu verführen. Denn dieser wird Konsument:innen durch die Grossverteiler noch allzu leicht gemacht: Wie ein Bericht des WWFs zeigt, waren 95 Prozent der von Supermärkten beworbenen Produkte in der Grillsaison 2023 tierischen Ursprungs. Diese wurden auch stärker reduziert: Auf Fleischprodukte gab es durchschnittlich 29 Prozent Rabatt, auf pflanzliche Produkte nur 22 Prozent.8

In der Landwirtschaft wirtschaftlich und grün denken

Doch nicht nur im Detailhandel muss sich etwas ändern. Auch die Landwirtschaft muss wieder wirtschaftlicher und grüner denken: Bereits im Jahr 2009 verdiente die Schweizer Landwirtschaft keinen Rappen mehr aus ihrer Produktion.9 Sehr problematisch ist dabei auch das komplexe System – um nicht zu sagen, das komplette Durcheinander – und die völlig falsche Ausrichtung der verschiedenen Subventionen in der Schweiz: 160 verschiedene Subventionen liefern falsche Anreize und wirken sich negativ auf die Biodiversität aus. Dies ist an sich schon höchst problematisch. Hinzu kommt, dass der Bund in den Klimaschutz und in Strategien für eine gesunde Ernährung investiert, während er zugleich mit den Subventionen Praktiken fördert, die diesen Zielen diametral entgegenstehen. Von den ca. CHF 40 Mrd. an im Projekt der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft quantifizierten Subventionen wirken CHF 15 Mrd. (39%) vollständig biodiversitätsschädigend, weitere CHF 19 Mrd. (47%) sind partiell biodiversitätsschädigend und CHF 6 Mrd. (14%) sind je nach Umsetzung biodiversitätsschädigend. Demgegenüber stehen CHF 520 Mio. bis CHF 1.1 Mrd. (je nach Berechnung), die jährlich für die Biodiversitätsförderung ausgegeben werden. Das ist nicht nur biodiversitätsschädigend, sondern auch wirtschaftlich völlig sinnlos.10 Ein Ausstiegsprogramm, wie es in den Niederlanden bereits erarbeitet wurde, könnte Landwirt:innen beim Aus- oder Umstieg helfen – auch finanziell, zum Beispiel in Form von Prämien.11

 

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