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21.06.2023 | Vivian

Eine kürzlich veröffentlichte Studie1 untersucht die Gesundheit unseres Planeten anhand von acht Messwerten, darunter Klima, Biodiversität und Wasserressourcen. Das schockierende Resultat: Wir haben die Belastungsgrenzen unserer Erde in den meisten Bereichen bereits überschritten. Die tierische Landwirtschaft trägt stark dazu bei.

Der Zustand unserer Erde und unser eigenes Wohlergehen sind eng miteinander verknüpft – das macht der Klimawandel deutlich. Die steigenden Temperaturen lassen uns eindeutig spüren, dass unser Klima sich in grossen Schritten darauf zubewegt, seine und damit auch unsere Belastungsgrenze zu überschreiten – doch noch zahlreiche andere, weit weniger augenfällige Aspekte sind entscheidend für die Stabilität unserer Umwelt. Schwindende Trinkwasserreserven, verschmutzte Luft, ausgetrocknete Böden oder verringerte Artenvielfalt beispielsweise bedrohen das Leben auf der Erde unmittelbar. Um fassbar zu machen, wie es um die Gesundheit unseres Planeten als Ganzes steht, hat eine neue Studie, geleitet von Forscher Johan Rockström, bestimmt, ob und inwiefern wir die natürlichen Belastungsgrenzen der Erde bereits überschritten haben. Dazu hat sie den Zustand von Klima, Ökosystemen, Luftqualität sowie Wasser- und Nährstoffkreisläufen mithilfe von acht Kennzahlen ermittelt (siehe Tabelle). Das Ergebnis ist alarmierend: Sieben der acht Werte überschreiten die von der Studie bestimmte Belastungsgrenze bereits heute deutlich.

 

Tabelle mit den acht untersuchten Umweltbereichen
Übersicht über die acht in Rockström et al.s Studie untersuchten Kennzahlen.

 

Die festgelegten Belastungsgrenzen berücksichtigen einerseits, bis zu welchem Punkt die Stabilität der Ökosysteme gewährleistet ist, und andererseits, wann es zu einer für heutige sowie zukünftige Ökosysteme und Generationen zu einschneidenden Belastung käme. Das Klima beispielsweise hat seine «sichere» Grenze noch nicht überschritten, beeinträchtigt das Leben unzähliger Menschen jedoch bereits heute so stark, dass seine «gerechte» Grenze als überschritten betrachtet wird. Die untersuchten Umweltbereiche sind dabei stark voneinander abhängig; eine Grenzüberschreitung in einem Bereich kann sich stark negativ auf einen anderen auswirken. Einen grossen Beitrag zu diesen Grenzüberschreitungen hat unter anderem die tierische Landwirtschaft geleistet.

 

Visualisierung der Belastungsgrenzen
Die von der Studie vorgeschlagenen sicheren (rot) und gerechten (blau) Grenzen. Die Erde zeigt den aktuellen Zustand an. Quelle: Rockström et al.

 

Tierische Landwirtschaft belastet Ökosysteme

Tatsächlich hat die sogenannte Nutztierhaltung einen enormen Einfluss auf fast alle der untersuchten Werte. Gut bekannt ist ihre Auswirkung aufs Klima: Die Tierhaltung verursacht fast 30% der globalen Treibhausgasemissionen und treibt die Klimaerwärmung damit stärker voran als der weltweite Verkehrssektor.2,3 Die gerechte Grenze einer Erwärmung von 1°C gegenüber vorindustriellem Niveau ist gemäss Rockström et al. mit den aktuellen 1,2°C längst überschritten. Die schnellste Möglichkeit, diese Entwicklung schlagartig zu verlangsamen und in Richtung einer sichereren und gerechteren Welt umzukehren, wäre aufgrund ihres hohen Methanausstosses eine Reduktion des weltweiten Viehbestands, so Forschende.4

Schwindende Wasserressourcen, abnehmende Artenvielfalt

Doch nicht nur das Klima, auch die Wasserressourcen unserer Erde sind laut Rockström et al. bereits enorm überbeansprucht: Wir entnehmen vielerorts Jahr für Jahr mehr Grundwasser, als sich wieder auffüllt. Am meisten Wasser benötigt die Landwirtschaft – es sind rund 72% der globalen Wasserressourcen.5 Mit Abstand am wasserintensivsten ist dabei die Produktion tierischer Produkte, und dies in der Regel sowohl im Hinblick auf die absolut produzierte Menge, als auch pro Kalorie oder Gramm Protein gesehen.6 Ein Beispiel: Ein Kilo Rindfleisch herzustellen, erfordert im weltweiten Durchschnitt rund 15’400 l Wasser. Sogar für ein Kilo Avocados, ein überdurchschnittlich wasserintensives pflanzliches Lebensmittel, sind nur rund 2’000 l Wasser nötig.7 Grund für den enormen Wasserbedarf ist dabei in erster Linie die grosse Menge an für die Herstellung tierischer Produkte benötigtem Tierfutter.

Der hohe Bedarf an Tierfutter ist auch für die weltweite Biodiversität fatal. Deren Zustand bestimmt die aktuelle Studie anhand von gleich zwei verschiedenen Messwerten – und beide überschreiten eine sichere und gerechte Grenze deutlich. Damit bestätigt die Studie einmal mehr, dass wir uns in einer globalen Biodiversitätskrise befinden. Dies ist in hohem Masse unseren Ernährungssystemen zuzuschreiben, denn Schätzungen zufolge gehen rund 70% der verlorenen Artenvielfalt an Land und 50% derer zu Wasser auf ihr Konto. Am meisten belastet Fleisch die Biodiversität: Laut einer WWF-Studie ist seine Produktion allein für 58% des Biodiversitätsfussabdrucks der deutschen Durchschnittsernährung – also ihrer negativen Auswirkung auf die Artenvielfalt – verantwortlich. Weitere 19% entfallen auf andere tierische Lebensmittel wie Milchprodukte und Eier; pflanzliche Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Getreide oder Nüsse machen lediglich 23% aus.8 Dies ist in erster Linie auf den erheblichen Flächenbedarf für die Herstellung von Futtermitteln zurückzuführen, denn die stetige Ausweitung der genutzten Fläche nimmt Tieren und Pflanzen ihren natürlichen Lebensraum und führt so schlussendlich zu ihrem Verschwinden. 

Wenn Nährstoffe zu Schadstoffen werden

Zwei weitere von der Studie untersuchte Grenzen beziehen sich auf die Nährstoffanreicherung im Boden in der Form von überschüssigem Stickstoff und Phosphor. Wie die Studie betont, beziehen sich diese in erster Linie auf die Landwirtschaft: Auf sie entfallen rund 90% der menschlich verursachten Phosphor- und Stickstoffeinträge ins Erdsystem.1 Durch Überdüngen kommt es zu viel zu grossen Nährstoffüberschüssen in Wasser, Boden und Luft, die fatale Auswirkungen haben können. Unter anderem können sie ganze Fischpopulationen töten, indem sie zu einem gesenkten Sauerstoffgehalt im Wasser führen und der menschlichen Gesundheit durch einen erhöhten Nitratgehalt im Wasser oder als Feinstaub in der Luft schaden. Bereits jetzt sind die sicheren Werte für Phosphor- und Stickstoffüberschüsse gemäss Rockström et al. jedoch weltweit deutlich überschritten. Das ist auch in der Schweiz ein Problem: Gemäss dem Bund sind heutzutage rund zwei Drittel der Stickstoffeinträge in empfindliche Ökosysteme auf Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft zurückzuführen – und davon stammen fast 90% aus der tierischen Landwirtschaft.9,10 Die Folgen sind dramatisch: Aufgrund der Überdüngung verfügen heute ganze 60% der Schweizer Seen über zu wenig Sauerstoff. Kleinere Seen wie der Baldeggersee oder der Sempachersee, die in Gebieten mit besonders grossen Mastbetrieben liegen, werden sogar seit Jahren künstlich mit Sauerstoff versorgt.11 Anders sind ihre Ökosysteme aufgrund der hohen Schadstoffbelastung nicht mehr überlebensfähig: Vor Beginn ihrer «künstlichen Beatmung» hatte sich in beiden Seen ein Massensterben der Fische ereignet.12

Eine pflanzliche Ernährung respektiert unseren Planeten

Alles in allem bestätigt die Studie des Instituts für Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung einmal mehr, was wir bereits wissen: Die tierische Landwirtschaft belastet jeden Aspekt unserer Umwelt enorm – und bringt unseren Planeten wortwörtlich an seine Grenzen. Dazu tragen natürlich auch andere Bereiche, wie der weltweite Verkehrssektor oder die Industrie, enorm bei. Eine Entwicklung hin zu einer Welt, die unsere Umwelt und ihre Belastungsgrenzen respektiert, muss auf mehreren Ebenen gleichzeitig ansetzen. Eine Transformation unseres Ernährungssystems ist dabei unerlässlich – und den grösstmöglichen Beitrag zu dieser Entwicklung können wir als Einzelpersonen machen, indem wir uns für eine pflanzlichere Ernährung entscheiden. Auch das renommierte Ernährungskonzept der «Planetary Health Diet» unterstreicht die Wichtigkeit der Reduktion tierischer Produkte für die Gesundheit unseres Planeten – und nicht zuletzt auch die von uns Menschen.13

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