Alternativen zu Fleisch werden von Fleischliebhabenden schon immer mit Argwohn betrachtet. Nachdem die Fleischlobby alle möglichen Scheinargumente benutzt hat, um diese zu diskreditieren, verfolgt sie nun eine neue Strategie, um die Werbung für diese Produkte zu verhindern.
Im September 2024 hat der Bund seine Ernährungsempfehlungen aktualisiert, um mehr pflanzliche Proteine wie Tofu, Tempeh, Seitan und Hülsenfrüchte einzuschliessen.1 Obwohl es verschiedene Zubereitungsarten gibt, um den Geschmack und das Essvergnügen zu maximieren, gehören diese Lebensmittel (noch) nicht zum durchschnittlichen westlichen Kochrepertoire und sind mit einer Reihe von Vorurteilen konfrontiert. Für Menschen, die ihre Ernährung schrittweise umstellen möchten, ohne ihre Gewohnheiten umzukrempeln oder das Kochen neu zu erlernen, besteht die einfachste Lösung darin, Fleischwaren durch Fleischalternativen zu ersetzen. Natürlich ist es im Rahmen einer gesunden pflanzlichen Ernährung wichtig, auch unverarbeitete Proteinquellen zu integrieren, aber Fleischimitate können eine entscheidende Rolle beim Übergang zu pflanzlichen Lebensmitteln spielen, indem sie zeigen, dass man auf seine Lieblingsprodukte nicht ganz verzichten muss. Im Jahr 2023 machten Fleischalternativen durchschnittlich 3,1% des gesamten Lebensmittelmarktes aus.2 Im selben Jahr hatten 56% der Schweizer Bevölkerung bereits vegane Alternativen probiert und mehr als ein Viertel konsumierte sie mehrmals im Monat.3 Doch Alternativen zu Fleisch werden seit jeher von Fleischliebhabenden mit Argwohn betrachtet. Sie weigern sich zuzugeben, dass eine andere Ernährungsweise nicht nur möglich, sondern aus ethischer, ökologischer und gesundheitlicher Sicht auch wünschenswert ist.
Mythen und Schlagargumente
Eines der beliebtesten Argumente der Fleischbefürwortenden ist die Abholzung der Regenwälder durch den Sojaanbau. Was sie oft nicht wissen, ist, dass die überwiegende Mehrheit des in Lateinamerika angebauten Sojas tatsächlich für die Fütterung von Nutztieren verwendet wird. Somit konsumiert ein Fleischesser oder eine Fleischesserin indirekt viel mehr Soja als eine vegetarische oder vegane Person. Andererseits wird Soja, das in der Schweiz für den menschlichen Verzehr verkauft wird, grundsätzlich in Europa angebaut und steht in keinerlei Zusammenhang mit der Abholzung von Regenwäldern.
Ein weiteres Argument der Fleischlobby ist, dass die pflanzlichen Alternativen alle stark verarbeitet und daher ungesund seien. Zu diesem Thema haben wir bereits einen Artikel in der Veg-Info Ausgabe Nr. 111 (Winter 2023) veröffentlicht. Kurz gesagt: Ja, hochverarbeitete Lebensmittel sind im Allgemeinen weniger gesund als unverarbeitete Lebensmittel. Aber das Kriterium des Verarbeitungsgrades allein reicht nicht aus, um zu bestimmen, ob ein Lebensmittel gesund oder ungesund ist. Letztendlich darf man nicht vergessen, dass es auch wenig verarbeitete pflanzliche Alternativen gibt und dass die meisten ultraverarbeiteten Produkte in den Supermärkten nicht vegan sind. Verarbeitetes Fleisch wird übrigens von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als krebserregend eingestuft,4 was bei verarbeiteten Produkten auf Soja- oder Erbsenproteinbasis nicht der Fall ist. Einige Studien deuten sogar darauf hin, dass Fleischimitate zumeist gesünder (und nachhaltiger) sind als die tierische Version.5, 6 Darüber hinaus muss betont werden, dass die in unserem Land konsumierte Fleischmenge – im Durchschnitt 111 g pro Person und Tag – dreimal höher ist als der von dem Bund empfohlene Wert7 und dass rotes Fleisch, selbst wenn es unverarbeitet ist, von der WHO als wahrscheinlich krebserregend eingestuft wird.8
Deutungsstreit
Nachdem der Fleischlobby die Argumente ausgegangen waren, änderte sie ihre Taktik. In Frankreich wurden 2022 und 2024 zwei Dekrete erlassen, um die Verwendung von Begriffen aus der Metzgerei- oder Wurstbranche zur Bezeichnung von Produkten, die pflanzliche Proteine enthalten, zu verbieten. Diese Texte gingen auf eine Forderung der Tierindustrie zurück, die behauptete, dass Bezeichnungen wie «veganer Schinken», «Sojasteak» oder «vegane Wurst» die Verbraucher in die Irre führen könnten. Der Fall wurde schliesslich vor den Gerichtshof der Europäischen Union gebracht, der befand, dass das Verbot zu weit ging und die EU-Verbraucherschutzvorschriften ausreichend waren.
Im Dezember letzten Jahres, knapp drei Monate nach der Veröffentlichung der neuen Ernährungsempfehlungen, nahmen die Mitglieder des Grossen Rates des Kantons Wallis eine Motion an, um die Verwendung von Begriffen aus der Metzgerei in der Werbung für pflanzliche Alternativen zu verbieten. Kurz darauf wurde im Grossen Rat des Kantons Waadt eine ähnliche Motion eingereicht. Darin wird der Waadtländer Staatsrat aufgefordert, eine Änderung des Gesetzes über die Reklameverfahren (LPR) vorzuschlagen, um die Werbung mit Begriffen, die mit tierischen Schlachtprodukten in Verbindung stehen, für fleischlose Lebensmittel zu verbieten. Die Motionäre möchten zudem eine Liste von Bezeichnungen erstellen, die in der Werbung nur für tierische Produkte verwendet werden dürfen.
Laut den Abgeordneten «kann der Missbrauch dieser Begriffe durch die Industrie für pflanzliche Produkte bei den Verbrauchern Verwirrung stiften und wertet die Arbeit der Tierindustrie ab». Die Motionärin Marion Wahlen geht sogar so weit zu behaupten, dass «es sich keinesfalls um eine Debatte für oder gegen Fleisch handelt, sondern darum, Verwirrung in der Werbung zu vermeiden».9
Jedoch werden pflanzliche Alternativen generell nicht in denselben Regalen wie Fleischprodukte platziert und die grosse Mehrheit von ihnen trägt ein deutlich sichtbares veganes Label (z.B. Swissvegs V-Label). Die Verbraucher so sehr gegen pflanzliche Proteine «schützen» zu wollen, zeugt von einer tiefen Herablassung gegenüber ihnen. Um die Gesundheit der Bevölkerung wirklich zu schützen (und gleichzeitig die vom Bund gesetzten Umweltziele zu erreichen), wäre es eigentlich viel sinnvoller, die Werbung für Fleisch zu verbieten oder zumindest nicht mehr mit Steuergeldern zu finanzieren.10
Zum Abschluss ihrer Argumentation fügt die Abgeordnete noch hinzu:
«[Die Motion] soll die lokalen Akteure des Fleischsektors fördern, anstatt die Verwendung von beispielsweise Soja zu unterstützen, das nicht in unserem Land angebaut wird.»9
Ist Frau Wahlen bewusst, dass es tatsächlich Soja gibt, das in der Schweiz produziert wird? Und vor allem, dass die Akteure der Fleischbranche in der Schweiz jedes Jahr fast 250 000 Tonnen Futtersoja importieren? Denn obwohl aktuell 60% des verfügbaren Ackerlandes in unserem Land für den Anbau von Futterpflanzen genutzt werden, reicht dies nicht aus, um alle Nutztiere zu ernähren, die auf Schweizer Boden gehalten werden. Selbst Produkte, die mit «Schweizer Fleisch» gekennzeichnet sind, setzen daher einen Anteil an importiertem Futter voraus.11 Um kurze Wege zu bevorzugen, wäre es besser, die Zahl der Nutztiere zu reduzieren und den dadurch frei werdenden Platz zu nutzen, um mehr Pflanzen anzubauen, die direkt für die menschliche Ernährung bestimmt sind – zum Beispiel Soja und weitere Hülsenfrüchte. So könnte die Bevölkerung mehr einheimische pflanzliche Proteine und weniger Fleischprodukte konsumieren, was sowohl ihrer Gesundheit als auch den Tieren und der Umwelt zugute käme.
- Swissveg. (2024, 16. September). Bund passt Ernährungsempfehlungen an. www.swissveg.ch/neue-ernaehrungsempfehlungen
- Proviande. (2023). Der Fleischmarkt im Überblick 2023. www.proviande.ch/sites/proviande/files/2020-05/Der%20Fleischmarkt%20im%20%C3%9Cberblick%20-%20Aktuelle%20Ausgabe.pdf
- Coop. (2024, Januar). Plant Based Food Report 2024. www.coop.ch/content/dam/insieme/plantbased-report-2024/Coop_Plant_Based_Food_Report_2024_D.pdf
- International Agency for Research on Cancer IARC (World Health Organisation WHO). (2015, 26. Oktober). Pressemitteilung: IARC Monographs evaluate consumption of red meat and processed meat. www.iarc.who.int/wp-content/uploads/2018/07/pr240_E.pdf
- Swissveg. (o. D.) Vegane Lebensmittel - Gesund oder nicht? www.swissveg.ch/vegane-lebensmittel
- Swissveg. (2024, 8. September). Pflanzliche Ernährung senkt Krankheitsrisiko. www.swissveg.ch/pflanzliche-ernaehrung-senkt-krankheitsrisiko
- Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. (2017, Mai). Fachinformation – Fleischkonsum. www.blv.admin.ch/dam/blv/de/dokumente/lebensmittel-und-ernaehrung/ernaehrung/fi-menuch-fleisch.pdf.download.pdf/Fachinformation%20-%20Fleischkonsum.pdf
- International Agency for Research on Cancer IARC (World Health Organisation WHO). (2015, 26. Oktober). Pressemitteilung: IARC Monographs evaluate consumption of red meat and processed meat. www.iarc.who.int/wp-content/uploads/2018/07/pr240_E.pdf
- Le Temps. (2025, 11. Januar). Une motion vaudoise veut interdire la publicité pour les steaks végétaux. www.letemps.ch/suisse/vaud/une-motion-vaudoise-veut-interdire-la-publicite-pour-les-steaks-vegetaux
- Swissveg. (2022). Widersprüche der Schweizer Politik: Gesundheit vs. Fleischwerbung. www.swissveg.ch/widersprueche-schweizer-politik?language=de#widerspruch-1
- Greenpeace. (2021, Februar). Die Futtermittel-Schwindel. www.greenpeace.ch/static/planet4-switzerland-stateless/2021/02/def5684d-gp_futtermittelreport_20210131_de_doppelseiten_klein.pdf
- Produktenamen: Ist eine Vegi-Wurst irreführend?
- Bund passt Ernährungsempfehlungen an
- Vegane Lebensmittel - Gesund oder nicht?
- Ersatzprodukte für Fleisch und Milch: Was sagt die TA-Swiss-Studie tatsächlich?
- Pflanzliche Ernährung senkt Krankheitsrisiko
- Widersprüche der Schweizer Politik: Gesundheit vs. Fleischwerbung
- Kommt bald das Werbeverbot für Fleisch?
- Umfrage: Bevölkerung lehnt Steuergelder für Fleischwerbung ab
- Grasland Schweiz: Mehr Lebensmittel durch weniger Tiere?