Was wir essen hat nicht nur einen grossen Einfluss aufs Klima, sondern auch auf die weltweite Artenvielfalt – das belegt eine aktuelle Studie des WWF, die erstmals einen Biodiversitätsfussabdruck für verschiedene Ernährungsweisen berechnet. Die Ergebnisse zeigen: Eine pflanzliche Ernährung belastet die Tier- und Pflanzenvielfalt mit Abstand am wenigsten.
Über den CO2-Fussabdruck unserer Ernährung wird mittlerweile viel berichtet, und insbesondere tierische Lebensmittel stehen aufgrund ihrer schlechten Klimabilanz immer häufiger in Kritik. Dass Fleisch und Co. nicht nur dem Klima, sondern auch der Artenvielfalt auf der ganzen Welt erheblich schaden, ist bis jetzt allerdings weniger bekannt. Dies obwohl die Biodiversität in vielen Teilen der Erde akut bedroht ist: Gemäss dem Weltbiodiversitätsrat (IPBES) könnten innerhalb weniger Jahrzehnte rund eine Million Tier- und Pflanzenarten aussterben. Der Hauptgrund dafür, so der IPBES, sind unsere Ernährungssysteme. Es wird geschätzt, dass rund 70% der verlorenen Artenvielfalt an Land und 50% derer in Flüssen und Seen auf ihr Konto gehen. In einer neuen Studie hat der WWF nun den Beitrag unterschiedlicher Ernährungsweisen zu dieser Entwicklung berechnet. Der mit Abstand grösste Teil des sogenannten Biodiversitätsfussabdrucks ist mit 77% tierischen Produkten zuzuschreiben.
Tierfutter verantwortet grössten Fussabdruck
Der Studie des WWF zugrunde liegt die Durchschnittsernährung der Deutschen. Um ihren Biodiversitätsfussabdruck zu berechnen, wurden die für den Anbau verschiedener Lebensmittel notwendige Fläche sowie Dauer, Art und Intensität ihrer Nutzung in Betracht gezogen. Auch der ökologische Wert eines Anbaugebiets wurde berücksichtigt. Die Ergebnisse zeigen, dass Fleisch für die Artenvielfalt eine enorme Belastung bedeutet: Es ist im Alleingang für 58% und damit für den weit grössten Teil des Biodiversitätsfussabdrucks der deutschen Durchschnittsernährung verantwortlich. Auf andere tierische Lebensmittel wie Milchprodukte und Eier entfallen weitere 19%, auf pflanzliche Nahrungsmittel wie Obst, Gemüse, Getreide oder Nüsse hingegen lediglich 23%.
Der enorme Fussabdruck von tierischen Produkten ist in erster Linie dem grossen Flächenbedarf von Tierfutter zuzuschreiben. Gemäss der Untersuchung verantwortet einzig der Anbau von Soja als Futtermittel mit 29% bereits fast ein Drittel des ganzen Biodiversitätsfussabdrucks. Dies, da Soja einerseits einen sehr hohen Flächenbedarf hat und andererseits besonders häufig in ökologisch wertvollen Regionen wie dem Amazonasgebiet oder dem Cerrado angebaut wird, die eine überdurchschnittlich hohe Artenvielfalt aufweisen. Auch Weizen und Mais, weitere wichtige Quellen von Tierfutter, schlagen mit 15% und 12% des Fussabdrucks zu Buche. Diese werden im Gegensatz zum Soja meist in Europa angebaut und damit in Regionen, die zwar als ökologisch weniger vielfältig eingestuft werden, deren Überbelastung jedoch einen unmittelbaren Einfluss auf die Biodiversität unseres eigenen Lebensraums hat.
Pflanzliche Ernährung schützt Artenvielfalt weltweit
Ein System beizubehalten, das die Natur derart strapaziert, ist gemäss der deutschen Zukunftskommission Landwirtschaft, «schlicht unmöglich» – und zwar «aus ökologischen und tierethischen wie auch aus ökonomischen Gründen». Stattdessen müsse der Konsum tierischer Produkte drastisch reduziert; der von Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen dagegen erhöht werden. Ziel sei, so auch die EAT-Lancet-Kommission, dass der weltweite Proteinbedarf vorwiegend über pflanzliche Nahrungsmittel gedeckt wird.
Doch wie viel macht eine Umstellung auf eine pflanzlichere Ernährung für unseren Biodiversitätsfussabdruck wirklich aus? Tatsächlich ziemlich viel: Gemäss dem WWF verringert eine vegane Ernährungsweise die Belastung der Artenvielfalt um ganze 49%, eine vegetarische um 46%. Bereits eine «flexitarisch-planetarische» Ernährung, also ein stark reduzierter Fleischkonsum zusammen mit einem verringerten Verzehr von Milchprodukten, sorgt für eine Entlastung von 18%. Eine Ernährungsanpassung würde zu positiven Veränderungen sowohl in regionalen Anbaugebieten in Europa, als auch in den USA und Südamerika führen. Besonders profitieren würden die brasilianischen Ökosysteme: Ein reduzierter Sojaanbau könnte den durch die europäische Ernährungsweise verursachten Biodiversitätsfussabdruck im Land um bis zu 92% reduzieren. Doch auch die heimische Artenvielfalt könnte beim deutschen Beispiel um 63% entlastet werden – eine Ernährungsumstellung würde den Bienen und Schmetterlingen im eigenen Garten also genauso zugutekommen wie dem Jaguar in Brasilien.
Nachhaltigkeitslabels und Konsumvorgaben für tierische Lebensmittel?
Die neuen Studienergebnisse machen die Notwendigkeit eines Umdenkens unseres Ernährungssystems einmal mehr deutlich. Dabei führen sie einerseits vor Augen, dass jede und jeder einzelne durch die Wahl pflanzlicher statt tierischer Lebensmittel einen Beitrag zum Schutz der Biodiversität – genauso wie des Klimas – leisten kann. Andererseits betonen sie die Notwendigkeit politischer Intervention, um eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Als notwendige politische Schritte sieht der Bericht des WWF beispielsweise konkrete Zielvorgaben zum Konsum tierischer Produkte sowie eine ausreichende Versorgung mit pflanzlichen Proteinen. Auch wirtschaftliche Anreize wie Lenkungsabgaben, Nachhaltigkeitslabels auf Nahrungsmitteln oder eine Nachhaltigkeitssteuer nennt er als mögliche Massnahmen, um eine Veränderung des Konsumverhaltens zu beschleunigen. Denn bis unsere Ernährungsgewohnheiten die natürlichen Belastungsgrenzen unserer Umwelt respektieren, werden für unser Essen noch weit mehr Tiere – und Pflanzen – sterben als jene, die auf unserem Teller landen.
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