Die Angst vor einem Eiweissmangel bei einer pflanzenbasierten Ernährung ist unbegründet und veraltet. Moderne Studien belegen die Vorteile pflanzlicher Eiweisse.1
Funktion
Die regelmässige Aufnahme von Eiweiss ist für den menschlichen Körper wichtig, insbesondere für Muskeln, Organe, Hirn und Nerven. Proteine bestehen aus 20 verschiedenen Aminosäuren, die für viele lebenswichtige Substanzen des menschlichen Körpers benötigt werden. Aminosäuren werden in der Leber und in den Körperzellen zu komplexen Ketten zusammengefügt und üben wichtige Funktionen in verschiedenen Bereichen aus: Strukturbildung von Zellen, biologische Reaktionen (durch Enzyme), Aufbau von körpereigenen Hormonen. Sie beeinflussen den Säure-Basen-Haushalt, den Stofftransport und die Abwehrreaktionen des Immunsystems.
Behauptung
So wie man aus 26 Buchstaben des Alphabets eine unbegrenzte Anzahl Wörter, Sätze und Büchern erstellen kann, so kann aus den 20 Aminosäuren eine unbegrenzte Fülle verschiedener Eiweisse aufgebaut werden. Acht Aminosäuren sind für den gesunden Erwachsenen essenziell, dieser kann der Körper nicht oder nur unvollständig synthetisieren und der Mensch muss sie deshalb über die Nahrung aufnehmen. Die gängige Ernährungslehre besagt, dass tierische Nahrungsmittel, im Gegensatz zu pflanzlichen Nahrungsmitteln, hochwertigeres Eiweiss enthalten, da darin alle essenziellen Aminosäuren enthalten sind.
Entgegnung
Mittlerweile haben Forscher herausgefunden, dass pflanzliche Eiweisse genauso alle essentiellen Aminosäuren enthalten, aber, ebenso wie die tierischen, die einzelnen Aminosäuren in verschiedenen Mengen. Die einfache und logische Schlussfolgerung lautet also, dass es nötig ist sich nicht nur von einem einzelnen pflanzlichen Lebensmittel zu ernähren – aber wer macht schon so etwas? Wer seine Ernährung abwechslungsreich und vielseitig gestaltet, braucht sich keine Sorgen darüber zu machen, wie er den Eiweissbedarf aus dem Pflanzenreich decken kann.
Es ist übrigens hinreichend belegt, dass die Eiweisskombination auch über mehrere Tage verteilt geschehen kann. Es ist also nicht notwendig, bei jeder einzelnen Mahlzeit auf eine optimale Kombination zu achten.2
Interessant: Die menschliche Muttermilch ist darauf ausgerichtet, das Baby während der stärksten Wachstumsphase optimal mit Eiweiss zu versorgen. Und trotzdem enthält sie „nur“ rund 1,2 % Eiweiss (bzw. 8,1% in der Trockenmasse). Zum Vergleich: Der Eiweissgehalt von Hülsenfrüchten beträgt 10–15 %. Wegen der Eiweissversorgung braucht sich also niemand Sorgen zu machen.
Risiken
Spätestens seit der Rinderkrankheit BSE ist bekannt, dass es Eiweissablagerungen im Körper geben kann, die sich schädlich auswirken. Zu viel Nahrungseiweiss kann nur sehr beschränkt durch den Urin über die Niere wieder ausgeschieden werden. Es bleibt somit ein ständiger Überschuss an Eiweiss im Körper zurück. Forscherbelegen, dass Nierenversagen bei hohem Eiweissverzehr viel häufiger auftritt als bei gemässigtem Eiweisskonsum.3
Empfohlene Tagesdosis
Die Eiweisszufuhrempfehlungen sanken in den letzten Jahrzehnten drastisch. Heute werden etwa täglich 0,8 g Eiweiss pro kg Körpergewicht empfohlen.
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Claus Leitzmann und Markus Keller «Vegetarische Ernährung» Ulmer 2013 (3. aktualisierte Auflage), 380 Seiten, S. 270, ISBN 978-3-8252-3873-5
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«American Dietetic Association», Positionspapier von 1988
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B. Brenner: Dietary Protein Intake and the Progressive Nature of Kidney Disease, New England Journal of Medicine 307:652, 1982.
- Der Mythos vom Eiweissmangel (aus Vegi-Info 2001/4).
- Mangel bei Fleischkonsum
- Niko Rittenau über Protein
Weitere Infos zum Thema auf Englisch:
- Studie belegt: Tierisches Eiweiss ist schädlich - pflanzliches sollte bevorzugt werden: Association of Animal and Plant Protein Intake With All-Cause and Cause-Specific Mortality, JAMA Internal Medicine, 1. Aug. 2016
- Healing Heart Foundation, Protein.
- Protein in the Vegan Diet von Reed Mangels.