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Tierrechte und weitere Massnahmen

Das Wohlergehen der Tiere kann nur durch Tierrechte langfristig geschützt werden. Doch ist die Einführung von Tierrechten der erste oder der letzte Schritt? Welche Massnahmen sind auf der rechtlichen Ebene noch nötig? Und welche könnten schon in den nächsten Jahren umgesetzt werden, wenn wir dies als Gesellschaft denn wollen?

Das Tierschutzgesetz neu denken

Wo bestehen die grössten Probleme in Bezug auf den rechtlichen Schutz der Tiere? Der wichtigste Ansatzpunkt ist sicher das Tierschutzgesetz. Denn so wie das Tierschutzgesetz zurzeit formuliert ist und umgesetzt wird, ist es vielmehr ein Tiernutzungsgesetz. Nur wenige Handlungen sind im Umgang mit Tieren in der Praxis tatsächlich verboten, oftmals werden aus wirtschaftlichen Gründen Ausnahmen gemacht. Um zu entscheiden, ob eine Handlung erlaubt ist oder nicht, wird die Interessenabwägung angewendet: Die existenziellen Interessen der Tiere werden gegen die trivialen Interessen der Menschen abgewogen. Zum Beispiel werden Tiere zur Fleischproduktion mit Kohlendioxid (CO2) getötet, was «bei den betroffenen Tieren sehr rasch Schmerzen, Atemnot und Angst» auslöst und dies alles lediglich, weil diese Methode unter anderem «kostengünstig» ist.1 Dabei werden menschliche Interessen in den meisten Fällen automatisch stärker gewichtet, weil Menschen ihre Interessen einfordern können, Tiere jedoch keine Fürsprecher:innen haben. Das relativiert den Schutz, der Tieren durch das Tierschutzgesetz zugesprochen wird, gewaltig. Um Tiere auch wirklich besser zu schützen, muss also das Tierschutzgesetz neu gedacht werden: Es muss sich an den Bedürfnissen und Interessen der Tiere orientieren. Ein naheliegender Weg, um den Tieren einen angemessenen Schutz zu gewährleisten, ist die Einführung von Tierrechten. Denn Tiere gelten rechtlich zwar seit 2003 nicht mehr als Sachen, sie haben aber keine Grundrechte, wie das bei uns Menschen der Fall ist. Den Tieren könnte beispielsweise ein Recht auf Leben, ein Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit und ein Recht auf Bewegungsfreiheit zugesprochen werden, wie es Saskia Stucki vorschlägt.2

Tierrechte sind noch nicht die Lösung

Tiere sollten also Rechte haben. Eine gute Idee, doch noch kein guter Zeitpunkt. Denn viele Menschen können und wollen sich Grundrechte für Tiere noch nicht vorstellen – so wurde die kantonale Primaten-Initiative in Basel, die die Einführung von Grundrechten für Primaten im Kanton Basel-Stadt forderte, leider mit knapp 75% Nein-Stimmen deutlich abgelehnt.3 Die Chancen für die Einführung von Tierrechten stehen im Moment also noch schlecht. Der gesellschaftliche Wandel muss erst noch etwas weiter fortschreiten. Denn das Gesetz bildet im Grossen und Ganzen jeweils die Meinung der Mehrheit ab. Das bedeutet nicht, dass die rechtliche Ebene keinen richtungsweisenden Impuls liefern und den Paradigmenwechsel bestärken könnte. Ein Beispiel dafür ist die Einführung der Tierwürde im Jahr 2008 im Tierschutzgesetz: Das Parlament empfahl die Volksinitiative «Gegen Missbräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen»4 zur Ablehnung und erarbeitete einen Gegenentwurf. Dabei wurde der Wortlaut geändert und ein Abschnitt zur Würde der Kreatur wurde hinzugefügt, wobei auch Tiere explizit erwähnt wurden.5 Dieser Gegenentwurf inklusive der Würde der Kreatur wurde mit 74% Ja-Stimmen angenommen.6 Dies ebnete der Würde des Tieres den Weg in die Gesetzgebung: 2008 wurde sie in das vollständig revidierte Tierschutzgesetz integriert. Ein wichtiger Glücksfall. Für einen gezielten Fortschritt sollten wir jedoch nach anderen Ansatzpunkten Ausschau halten – und gleichzeitig weiterhin die Bevölkerung aufklären, um unsere Werte mehrheitsfähig zu machen und so Veränderungen auf rechtlicher Ebene Tür und Tor zu öffnen.

Eine Vertretungsperson für Tiere

Ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zur Einführung von Tierrechten ist, dass die Tiere eine Person haben, die ihre Bedürfnisse und Interessen auf rechtlicher Ebene vertritt. Denn selbst wenn Tiere Tierrechte hätten und es ein Tierrechtegesetz gäbe, müsste dies von jemandem eingefordert werden, sonst nützt es den Tieren kaum etwas. Deshalb ist eine rechtliche Vertretung der Tiere eine wichtige Voraussetzung, damit es den Tieren künftig besser geht. Dies war beispielsweise im Kanton Zürich von 1992 bis 2010 der Fall: Es gab damals das Amt des Tieranwalts. Eine andere Möglichkeit ist das Verbandsbeschwerderecht, so wie es in der Schweiz bei Umweltschutzorganisationen der Fall ist oder in Hamburg (DE) seit 2013 für Tierschutzorganisationen gilt.7 Diese Massnahmen könnten bereits heute umgesetzt werden und würden den Tieren zu mehr Gewicht auf der gesetzlichen Ebene verhelfen. So könnte sichergestellt werden, dass zumindest das geltende Tierschutzgesetz durchgesetzt wird – ausserdem sollten in einem nächsten Schritt auch bestimmte Behörden und die Polizei für dieses Thema sensibilisiert werden. Am effizientesten können wir den Tieren jedoch helfen, bzw. unsere Ausbeutung der Tiere stoppen, indem wir nicht nur einen Wandel auf der gesetzlichen Ebene anstossen, sondern auch auf gesellschaftliche, wirtschaftlicher und politischer Ebene etwas verändern. Im nächsten Artikel erfährst du mehr über die Anknüpfungspunkte und mögliche Lösungswege auf der politischen Ebene.

 

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