Immer wieder hört man es: «Die Schweiz hat das strengste Tierschutzgesetz der Welt!». Dabei stellt sich die Frage: Was ist denn ein strenges Tierschutzgesetz? Woran wird das gemessen? Es zeigt sich: Der Vergleich mit anderen Ländern hinkt, die Perspektive der Tiere wird vernachlässigt und der Vollzug weist grosse Defizite auf.
Es heisst, die Schweiz hätte ein strenges Tierschutzgesetz. Doch die Umsetzung der Tierschutzbestimmungen sowie die anschliessende Kontrolle sind äusserst mangelhaft.
Vergleich mit Ausland hinkt
Es wird viel davon gesprochen, dass es den Tieren in der Schweiz dank einem strengen Tierschutzgesetz besser geht als in anderen Ländern. Als Beispiel wird häufig angeführt, dass den Tieren hier mehr Platz zugestanden wird als anderswo. Doch wie eine Studie aus dem Jahr 2013 zeigt, ist dieser Vergleich nicht so einfach zu machen. Die Autor:innen kommen zum Schluss: «Das zentrale Ergebnis der Studie ist, dass eine international vergleichende Bewertung des Agrarumwelt- und Tierschutzes inkl. Vollzug nur eingeschränkt möglich ist. Dafür verantwortlich sind die sehr vielen und komplexen Vorschriften, die unterschiedlichen Vollzugssysteme und ein Mangel an Daten zu Vollzug und Kontrolle. Aufgrund fehlender vergleichbarer Daten ist es auch nur eingeschränkt möglich, Unterschiede bei der Agrarumweltqualität oder beim Wohl der Nutztiere zu belegen» (S. 84). Ausserdem gibt es relevante Aspekte, in denen das Schweizer Tierschutzgesetz im Vergleich zu anderen Ländern schlechter abschneidet, wie der fehlende Schutz des Lebens. So wäre es zum Beispiel in Deutschland nicht erlaubt, die eigene Katze einschläfern zu lassen, nur weil man nicht mehr für die Tierarztkosten aufkommen möchte.
Spielt die Sicht der Tiere eine Rolle?
Des Weiteren ist es auch deshalb problematisch von einem strengen Tierschutzgesetz zu sprechen, weil man beim Tierschutzgesetz schlussendlich nicht vergessen darf, dass es – zusammen mit der Tierschutzverordnung – die Nutzung der Tiere regelt. In erster Linie wollen wir die Tiere also zu unserem Vorteil nutzen. Das ist der Ausgangspunkt. Davon ausgehend wird erörtert, was unter Einbezug der Verhaltensforschung und des moralischen Aspekts den Tieren angetan werden darf. Obengenannte Studie hält demnach auch fest, dass aus Sicht des Tierwohls «das Tierschutzgesetz nicht [definiert], was tiergerecht ist, sondern was dem Tier noch zugemutet werden kann» (S. 83). Mit anderen Worten, die Sichtweise des betroffenen Tieres wird am Ende der Wirtschaftlichkeit untergeordnet. So kommt es, dass diverse Praktiken, wie Schweine ohne Auslauf zu halten, Lämmern den Schwanz zu kürzen und männliche Küken direkt nach dem Schlüpfen zu töten, rechtlich erlaubt sind. Dass diese Vorgehensweisen erlaubt sind, bedeutet jedoch nicht, dass sie auch artgerecht und tierfreundlich sind.
Mangelhafter Vollzug inkl. Kontrollsystem
Gar widersprüchlich wird es, wenn es um den Vollzug geht. Denn sogar wenn man daran festhalten möchte, dass die Schweiz auf Papier ein strenges Tierschutzgesetz hat, ist dieses nichts wert, wenn der Vollzug mangelhaft ist. Schliesslich kann ein Gesetz nur so gut sein, wie es umgesetzt wird. Die Vollzugsdefizite haben unterschiedliche Gründe. In erster Linie liegt das Problem darin, dass die Straftaten nicht entdeckt werden und die zuständigen Behörden somit nicht informiert sind. Doch auch wenn die Behörden Kenntnis der Taten haben, werden diese Fälle oftmals nicht weiter verfolgt. Wie Tier im Recht (TIR) in ihrem Artikel Gravierende Mängel bei der Umsetzung des Tierschutzrechts schreibt: «Den zuständigen Behörden mangelt es oftmals nicht nur an personellen und zeitlichen Kapazitäten, sondern auch an den nötigen Fachkenntnissen im Tierschutzrecht. Bisweilen fehlt ihnen jedoch schlicht auch das Interesse an der Thematik.»
Aber auch bei den gesetzlich vorgeschriebenen Kontrollen werden immer wieder Mängel festgestellt. Wie sind diese Kontrollen geregelt? Es werden verschiedene Bereiche kontrolliert. Zum Beispiel wird die Haltung der Tiere sowie das Schlachten begutachtet. Von den sogenannten Grundkontrollen bei der Tierhaltung finden die meisten angemeldet statt – ein festgelegter Teil der Kontrollen hat jedoch unangemeldet stattzufinden. Für die verschiedenen Betriebe gelten unterschiedliche Zeitspannen, die zwischen den Kontrollen liegen dürfen. So muss ein Ganzjahresbetrieb mit tierischer Produktion (mit über drei Grossvieheinheiten) alle vier Jahre kontrolliert werden, sofern nichts beanstandet wurde. Sömmerungsbetriebe, das heisst Betriebe, die während der Alpsaison bewirtschaftet werden, müssen gar nur alle 8 Jahre kontrolliert werden (siehe MNKPV). In den Jahren 2018 und 2019 liess das BLV 10 Prozent der Schlachtbetriebe überprüfen, das waren 67 Schlachtbetriebe. Die Resultate wurden im Bericht Tierschutz und Fleischkontrolle in Schlachtbetrieben veröffentlicht. Dabei wurde festgestellt, das knapp die Hälfte der Grossbetriebe und die Mehrheit der Betriebe mit geringer Kapazität Mängel in den drei Bereichen Unterbringung über Nacht, Betäuben und Entbluten aufweisen (S. 17). Weiter stellte man fest, dass vor allem in Betrieben mit geringer Kapazität sehr oft die vorgeschriebene Dokumentation der Selbstkontrolle beim Schlachten nicht erfolgt. Es ist hauptsächlich das Kontrollieren des Erfolges beim Betäuben und Entbluten, das fehlt. In den wenigen Fällen, in denen das Vorgehen dokumentiert wird, ist die Dokumentation von schlechter Qualität (S. 18). Dass die Betriebe in solch grossen Abständen und zudem meist angekündigt kontrolliert werden, obwohl immer wieder viele Mängel festgestellt werden, unterstreicht wie lückenhaft das Kontrollsystem ist.
Max hat nichts davon
Säuli Max aus Luzern hat nichts davon, wenn seine deutsche Nachbarin Susi noch weniger Platz hat als er. Es bringt Max auch nichts, wenn in den Vorschriften genau festgehalten wird, wie viel Platz er hat. Wenn dieser Platz seinen Bedürfnissen nicht entspricht, ist es für ihn zu wenig - strenges Tierschutzgesetz hin oder her. Ausserdem kann es sein, dass die Betäubung bei seiner Tötung nicht funktioniert und niemand dies überprüft. Wenn diese Schritte nicht engmaschig kontrolliert werden, hat Max nichts von den vermeintlich strengen Tierschutzvorschriften.
Die Schweiz hat angeblich ein strenges Tierschutzgesetz, doch es wird weder strikt umgesetzt, noch gründlich kontrolliert. Das macht keinen Sinn! Unterschreibe deshalb jetzt unsere Petition «Schluss mit diesem Widerspruch, keine politische Förderung von tierischen Produkten!».
Im Rahmen unserer aktuellen Kampagne «Widersprüche der Schweizer Politik» haben wir bereits vier Widersprüche aufgearbeitet: «Gesundheit vs. Fleischwerbung», «Tierwohl vs. Gewinn», «Klima vs. tierische Produkte» und «Subventionspolitik vs. Kostenwahrheit». Mit unserer Petition «Schluss mit diesem Widerspruch, keine politische Förderung von tierischen Produkten!» fordern wir, dass im Hinblick auf das Erreichen der Klimaziele insbesondere darauf geachtet wird, eine klimaschädliche Ernährung nicht mehr zu fördern.