Die Sommersession 2023 findet vom Dienstag, 30. Mai bis zum Freitag, 16. Juni statt. In diesem Blogartikel halten wir Sie auf dem Laufenden und liefern interessantes Hintergrundwissen.
Ein Klimalabel für Lebensmittel?
Mit ihrem Postulat stellt Barbara Schaffner (GLP) die Frage nach der möglichen Einführung eines Klimalabels für Lebensmittel. Konkret wird der Bundesrat damit beauftragt, aufzuzeigen, wie mehr Transparenz über die Klimaauswirkungen von Lebensmittel geschaffen werden kann. Dabei soll insbesondere untersucht werden, ob eine Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln mit einer Angabe ihrer Klimabilanz – also einem «Klimalabel» – zielführend ist.
Ernährung als wichtiger Hebel
Schaffners Postulat setzt an einem enorm wichtigen Punkt an: Die Ernährung macht rund 28 Prozent der persönlichen Umweltbelastung einer durchschnittlichen Person in der Schweiz aus.1 Die eigene Ernährung ist somit eine der wichtigsten Massnahmen, um die persönliche Umweltbelastung möglichst gering zu halten. Grosses Potential für individuelle Emissionseinsparungen sieht eine von The Jump veröffentlichte Studie daher bei einer Umstellung zu einer pflanzlichen Ernährung.2 Damit können wir rund einen Drittel der von uns beeinflussbaren Emissionseinsparungen erzielen.
Label als mögliche Lösung
Um eine nachhaltige Ernährung zu fördern, ist es wichtig, dass Konsument:innen einfach und schnell sehen können, welches Lebensmittel sich wie negativ auf die Umwelt auswirkt. Dabei könnte ein «Klimalabel» helfen. Wie der Bundesrat in seiner Stellungnahme zu diesem Postulat schreibt, zeigt das beispielsweise «die deutliche Reduktion des Strom- und Wasserverbrauchs von Haushaltgeräten seit der Einführung der Energieetikette in der EU und in der Schweiz».
Pflanzliche Produkte würden am besten abschneiden
In einer Studie des Forschungsinstituts für biologischen Landbau Österreich (FiBL) kamen die Autor:innen zum Schluss, dass pflanzliche Lebensmittel, die biologisch und regional angebaut werden, am klimafreundlichsten sind.3 Mittels einer veganen Ernährungsweise können ihnen zufolge bis zu 70% der ernährungsbedingten Emissionen eingespart werden. Was viele nicht wissen: Pflanzlich zu essen ist klimafreundlicher als regional. Denn die Transportwege sind vernachlässigbar, sie machen bei den meisten Produkten weniger als 10% der Emissionen aus.4
Weitere Infos
- Pflanzliche Ernährung hat das grösste Klimaschutzpotenzial, Blogbeitrag, 2022
- Unsere Ernährung könnte das Klima um zusätzliche 0.9 Grad erwärmen, Blogbeitrag, 2023
- Klimawandel: Pflanzlich essen bring mehr als regional, Blogbeitrag, 2023
- Vegane Ernährung spart 70% der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen ein, Blogbeitrag, 2022
Wie können wir zukunftsfähige Wälder schaffen?
Mit seinem Postulat «Zukunftsfähige Wälder sind nur mit gesetzeskonformem Wildverbiss möglich!» fordert Othmar Reichmuth (Die Mitte) vom Bundesrat einen Bericht, der die folgenden beiden Fragen beantwortet: «a. Mit welchen konkreten Massnahmen der Wildeinfluss auf die Waldverjüngung innert weniger Jahre flächendeckend auf ein gesetzeskonformes Mass reduziert werden kann» und «b. Wie ein fundiertes und aussagekräftiges Controlling des Wildeinflusses auf den Schweizer Wald ausgestaltet sein muss, welches neben forstlichen und jagdlichen Indikatoren und Erfassungsmethoden auch konkrete und terminierte (Zwischen-)Ziele enthält». Das Postulat wurde vom Ständerat mit 29 zu 6 Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen.
Aktuelle Regelung
Die Kompetenz und die Verantwortung um die Verjüngung des Waldes sicherzustellen, liegt grundsätzlich bei den Kantonen. Diese haben gemäss Jagdgesetz und Waldgesetz den Auftrag, den Wildbestand zu regeln. Ziel ist die Erhaltung des Waldes und die Sicherstellung seiner natürlichen Verjüngung mit standortgerechten Baumarten. Dies ist ohne Schutzmassnahmen zu regeln; wo dies nicht möglich ist, sollen Massnahmen zur Verhütung von möglichen Schäden getroffen werden.
Konflikt zwischen Mensch und Tier
Weshalb ist der Verbiss von Bäumen eigentlich problematisch? Der Verbiss verlangsamt die Waldverjüngung. Rehe werden immer wieder beschuldigt, Bäume zu beschädigen, indem sie daran knabbern. Der Konflikt ist in der Forstwirtschaft besonders gross: Dort, wo Wälder wirtschaftlich genutzt werden, ist Verbiss nicht gerne gesehen. Die Wunschvorstellung wäre ein Wald komplett ohne Wildtiere, die an den Bäumen knabbern. Doch ganz so einfach geht das nicht. Stefan Engler (Die Mitte) ist sich bewusst: «Der Bevölkerung erklären zu wollen, dass die Bejagung zur Schädlingsbekämpfung notwendig sei, führt nur zu unversöhnlichen Zielkonflikten, und zwar nicht nur in Bezug auf Wald und Wild, sondern auch mit der Bevölkerung, die in dieser Frage durchaus für tierschützerische Argumente zugänglich ist.»5
Warum gibt es Wildverbiss?
Das Verbiss-Problem ist auch menschengemacht. Gerade Rehe und Hirsche, die für einen Grossteil des Verbisses verantwortlich sind, werden gejagt. Das hat dazu geführt, dass die Wildtiere ihre natürlichen Lebensräume dauerhaft verlassen haben. Rehe beispielsweise leben eigentlich auf freien Feldern, haben sich nun aber in den Schutz des Waldes zurückgezogen. Dort finden sie wenig Gräser und müssen sich alternative Nahrungsquellen suchen.6 Forschende haben beobachtet, dass der Rückzug in den Wald während der Jagdsaison stärker ist.7 Ausserdem hat die Jagd auch grossen Einfluss auf das Reproduktionsverhalten. Forschende fanden heraus, dass in 173 von 178 Fällen (97.2 %) Veränderungen wie eine Fortpflanzung in früherem Alter entstanden waren.8 So ist es nicht erstaunlich, dass die Verbiss-Problematik trotz einer signifikant stärkeren Bejagung von Wildtieren nicht gelöst werden konnte: 1970 wurden 26111 Rehe getötet, 2021 waren es 43418 Individuen. 9
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Weiteres aus der Sommersession
Keine Deklarationspflicht für Reptilienleder
Die Motion «Deklarationspflicht für Reptilienleder» von Martina Munz (SP) forderte eine Deklarationspflicht für Reptilienleder und -produkte, analog zur bereits existierenden Deklarationspflicht für Pelzprodukte – die jedoch nur mangelhaft umgesetzt wird, wie der Bericht zu den Pelzdeklarationskontrollen 2021/22 zeigt: Das BLV hat bei zwei Dritteln der kontrollierten Verkaufsstellen die Bezeichnungen aufgrund falscher oder fehlender Informationen beanstandet.10 Nachdem der Nationalrat die Motion zur Deklarationspflicht für Reptilienleder im März 2021 mit 110 zu 78 Stimmen bei 4 Enthaltungen gutgeheissen hatte, wurde sie nun vom Ständerat mit 28 zu 12 Stimmen bei 4 Enthaltungen abgelehnt. Das Parlament hat damit eine weitere Chance, ein positives Zeichen für den Tierschutz zu setzen, verpasst.
Keine Deklaration von Kokosprodukten aus affenquälerischer Produktion
Die Motion «Deklaration von Kokosprodukten aus affenquälerischer Produktion» von Meret Schneider (Grüne) forderte die Einführung einer Deklarationspflicht für Kokosprodukte, die unter Einbezug von Affen produziert wurden. Unter misslichen Umständen werden junge Affen in Thailand ihren Familien entrissen, dies oftmals illegal. Sie werden angekettet und unter Zwang dafür trainiert, Kokosnüsse zu pflücken.11 Doch nicht alle Kokosnüsse werden so gepflückt. Um Transparenz für Konsument:innen zu schaffen, sollte laut der Motionärin eine Deklarationspflicht eingeführt werden. Nachdem der Nationalrat die Motion im September 2022 sehr knapp mit 92 zu 91 Stimmen bei 5 Enthaltungen angenommen hatte, wurde sie in dieser Session vom Ständerat mit 19 zu 13 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt.
Kein Importverbot für Stopfleber
Nachdem der Nationalrat die Motion «Importverbot für tierquälerisch erzeugte Stopfleber» von Martin Haab (SVP) im Februar 2022 mit 119 zu 61 Stimmen bei 9 Enthaltungen angenommen hatte, wurde sie nun vom Ständerat äusserst knapp abgelehnt: Beim Stand von 18 zu 18 Stimmen war der Stichentscheid der Ratspräsidentin Brigitte Häberli-Koller (Mitte) ausschlaggebend für die Ablehnung des Importverbots. Der Ständerat lehnt die Motion in ihrer original Fassung also ab, er fordert aber, dass der Bundesrat eine Deklarationspflicht für Enten- und Gänsestopfleber erlassen solle. Die geänderte Motion geht nun zurück an den Nationalrat. Dieser wird darüber entscheiden, ob eine solche Deklarationspflicht eingeführt wird.
Auch in diesem Fall verpasst das Parlament erneut eine Chance, den Tierschutz fortschrittlich zu gestalten. Die Produktion von Stopfleber ist in der Schweiz verboten, weshalb sollte der Import also erlaubt sein? Weil, wie die Mehrheit der WBK-S argumentiert, dadurch eine gesellschaftlich stark verankerte kulinarische Tradition beeinträchtigt werden würde? Das ist ein schwaches Argument, wenn man an das Leid denkt, das den Tieren für die Produktion von Stopfleber widerfährt und auch weiss, dass bereits vegane Alternativen dazu existieren. Es besteht aber noch Hoffnung, denn die Alliance Animal Suisse sammelt derzeit gerade Unterschriften für ihre Initiative «Ja zum Importverbot von Stopfleber». Hoffen wir, dass bald das Volk diesem tierquälerischen Vorgehen ein Ende setzen kann.
1 Umweltbericht Zürich, 2022
2 Studie von The Jump, 2022
3 FiBL-Studie zum Thema Klima und Ernährung, 2021
4 Poore, J. und Nemecek, P., 2018. Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers, Science.
5 Wortmeldung Stefan Engler im Verlauf der Debatte
6Warum sich die Jagd in Deutschland verändern muss, quarks.de, 2021
7 Bonnot N. et al., 2013. Habitat use under predation risk: hunting, roads and human dwellings influence the spatial behaviour of roe deer, Springer.
8 Darimont C. et al., 2009. Human predators outpace other agents of traitchange in the wild, PNAS.
9 Eidgenössische Jagdstatistik, 2021
10 Herkunft und Gewinnung von Pelzen werden noch immer mangelhaft deklariert, Medienmitteilung BLV, 13.10.2022
11 Gefangen und abgerichtet: Wie Affen für die Kokosnussernte versklavt werden, NZZ Magazin, 11.03.2023