«Was − Sie essen nie etwas Warmes? Ja – und was machen Sie denn im Winter?» Diese Fragen haben bestimmt schon die meisten Menschen, welche sich hauptsächlich mit Rohkost ernähren, gehört. Genauso wie etwa: «Rohkost im Sommer kann ich mir noch vorstellen, aber im Winter wäre das wohl nichts für mich!?»
Es scheint wie eine Urangst in den Menschen zu stecken, dass sie mit Rohkost im Winter erfrieren würden. Demgegenüber herrscht der Irrglaube, dass die Körpertemperatur von der Temperatur der Speisen abhängt, unter dem Motto: «Etwas Warmes braucht der Mensch.» Ich wundere mich immer wieder, wie es geschehen konnte, dass sich die Menschheit auch − oder gerade − in der Ernährung hat so in die Irre führen lassen, ohne die Angelegenheit mal richtig zu hinterfragen.
Die Angst zu frieren, wenn nichts Warmes gegessen wird, kann abgelegt werden, sobald verstanden ist, dass es nicht die Temperatur der Speisen ist, die die Körperwärme reguliert, sondern die Effizienz der Speisen. Die Wärme der Nahrung vermag nur ganz gering und für nur sehr kurze Zeit ein wärmendes Gefühl zu verleihen. Für den wirklichen Wärmehaushalt im Körper sind jedoch die Information, die Energie, das heisst das gespeicherte Sonnenlicht, und die Beschaffenheit der aufgenommenen Nahrung verantwortlich. Die Beschaffenheit ist deshalb wichtig, weil der Organismus in der Lage sein muss, die in der Nahrung enthaltene Energie aufzunehmen und im Stoffwechsel zu verarbeiten.
Kohlehydrate in gekochten Speisen wie Teigwaren, Reis, Brot, Kartoffeln, Mais und so weiter bestehen hauptsächlich aus Stärke. Die Stärkemoleküle verändern ihre Struktur beim Kochen. Sie binden Wasser und werden zu einer schleimigen Substanz. Kartoffelstärke und Maisstärke, sprich Maizena, werden in der Küche zum Abbinden von Saucen verwendet.
Gerade tierische Produkte, welche sowieso meist erhitzt werden, was die Proteine zum Stocken, also Verklumpen bringt, stellen eine enorme Anforderung an den Stoffwechsel und das Entgiftungssystem. Auch erhitzte Fette und Öle fordern vom Organismus durch die dadurch entstandene Veränderung ihrer Struktur ihren Tribut.
Es ist keine effiziente Art, den Körper mit erhitzten, stärke- als auch proteinhaltigen Speisen aufwärmen zu wollen. Mit herkömmlichem Brot verhält es sich ähnlich. Brot ist genau genommen mit Wasser durch Hitze verkleisterte Weizenstärke und enthält relativ viel gestocktes Weizeneiweiss.
Wenn jedoch der Weizen leicht angekeimt wird, dann werden die Enzyme tätig und bauen die Stärke in Mehrfachzucker – Zweifachzucker − Einfachzucker ab. Die Eiweissverbindungen werden in Aminosäuren aufgespalten. Dies ist notwendig, damit die molekulare Struktur der Saat neu geformt und aus dem Weizenkorn überhaupt eine Pflanze werden kann. Dieser laufende Strukturwechsel ist eine sehr hilfreiche Vorarbeit, damit der Organismus die Kohlehydrate und Proteine unter Mithilfe der intakten Enzyme, die grossteils bereits mitgeliefert werden, aufzuspalten und die Energie für die Körperwärme und Leistung heranzuziehen vermag. Trotzdem hat das spriessende Korn noch eine sehr hohe Nährstoffdichte.
Fazit: Der Körper gewinnt mit kleineren Mengen, weniger Aufwand, geringerer Belastung und minimalem Abfall mehr Energie.
Ein guter Tausch, oder nicht? Eigentlich müssten jene Menschen Angst um ihre Körperwärme haben, welche gekochte Speisen zu sich nehmen.
Nun treffe ich aber immer wieder Menschen an, die trotz Rohkost schon vor dem Winter frieren. Das ist keine gute Voraussetzung für den Winter und da kann es einem schon etwas mulmig werden. Aber was läuft denn da schief?
Meist essen diese Menschen sehr viel Obst. An und für sich wäre gegen Obst nichts einzuwenden, nur in unseren Gegenden gibt es kaum baumreif gepflücktes Obst im Handel. Unreif gepflücktes Obst ist mit wenigen Ausnahmen nicht mehr in der Lage, vollends nachzureifen. Bäume und Sträucher verhindern das frühzeitige Entnehmen der noch unentwickelten Kerne dadurch, dass die Früchte nicht schmecken oder/und nicht bekömmlich sind. Die Unbekömmlichkeit zeigt sich dann dadurch, dass diese Früchte übersäuern und Stoffe enthalten, die der Organismus nicht abbauen kann. Er muss sie also der internen Müllabfuhr zum Entsorgen weitergeben. Im Körper nennt man das Entgiftung.
Wird nun dauerhaft unreifes Obst gegessen, befindet sich der Körper in einer Dauerentgiftung, die zur Folge hat, dass der Körper mehr ab- als aufgebaut wird. Eine der Begleiterscheinungen ist kontinuierliches Frösteln.
In unseren Breitengraden mit den momentanen Verhältnissen ist es vorteilhafter, wenn wir mit unserer Ernährung zu einem grossen Teil auf Gemüse ausweichen.
Interessanterweise sind gerade die Wintergemüse jene Gemüse mit langer Lagerfähigkeit und hoher Widerstandskraft. Es sind die Wurzelgemüse, wie Sellerie, Karotten, Randen (Rote Bete), Petersilienwurzel, Pastinaken, Topinambur, Steckrüben sowie Kohlgewächse, wie Rotkraut, Weisskraut, Wirsing, Grünkohl und so weiter, welche eine hohe Nahrungsdichte aufweisen. Dies ist wichtig, weil dadurch dem Körper die benötigten Nährwerte zugeführt werden können, ohne eine zu hohe Flüssigkeitslieferung. Diese Gemüse sind auch reich an Mineralien, deren Bedarf im Winter höher ist. Kürbisse sind sehr vitaminreich und helfen, die Vitalität auch bei verminderter Sonneneinstrahlung aufrechtzuerhalten.
Eine weitere Winterhilfe auf der Nahrungsebene stellen Keimlinge dar. Ich denke hier nebst dem genannten Weizenkeimling an angekeimten Roggen, an Gerste, Buchweizen, die verschiedenen Linsen, Kichererbsen, Süsslupinen, Sonnenblumen und Kürbiskerne, um einige zu nennen. Sie alle enthalten alles auf engstem Raum, was der Körper benötigt, um auch bei kälteren Umgebungstemperaturen einwandfrei funktionieren zu können.
Kerne und Nüsse sind mit ihrem hohen Ölgehalt besonders gute Wärmeressourcen. Ölen und Fetten messe ich in der winterlichen Ernährung einen besonders hohen Stellenwert zu. Sie sind synthetisiertes Sonnenlicht in einer Form, die unseren Stoffwechsel in einen Wärmestoffwechsel bringt. Das heisst, der Stoffwechsel macht viel Energie in Form von Wärme frei. Das kann ich im Winter nur begrüssen.
Öle und Fette sind jedoch in ihrer Struktur sehr hitzeanfällig, auch wenn man das mit blossem Auge nicht sehen kann. Die Fettsäuren können nicht nur durch Erhitzen in der Küche geschädigt werden, sondern bereits beim Extrahieren in der Ölmühle, daher sollte darauf geachtet werden, dass nur feinste Öle in Rohkostqualität auf den Esstisch gelangen.
Hitzegeschädigte Fettsäuren bringen dem Organismus mehr Belastung als Nutzen. Kokosöl enthält Laurinsäure, wie Muttermilch auch, und diese Fettsäure ist für den Aufbau des Immunsystems sehr förderlich. In Form von Pralinen ist es nicht nur für das Immunsystem gut, sondern auch für den Geschmackssinn und das Gemüt. Ich erachte dies als eine gute Vorsorge für den Winter.
Aus Erfahrung weiss ich, mit der erwähnten Ernährung können grössere Temperaturschwankungen leichter ausgehalten und ausgeglichen werden. Man wird wetterunempfindlich und fühlt sich auch im Winter gut und munter. Ein wichtiger Hinweis wäre noch der: Bewegen Sie sich viel und gönnen Sie sich so viel wie möglich frische Winterluft, damit der Kreislauf in Schwung bleibt oder kommt. Die Energie der besten Nahrung zerfällt im Körper zu Schlacken, wenn sie nicht genutzt wird.
Ich wünsche Ihnen einen schönen, freudvollen Winter.
Urs Hochstrasser