Der grösste Armeeeinsatz der Schweiz seit dem 2. Weltkrieg geht gegen den kleinsten Feind: Ein Virus. Die weitreichenden Massnahmen gegen SARS-CoV-2 hat weltweit enorme Auswirkungen. Doch wird genug getan, um künftige Pandemien zu verhindern?
Ursachensuche
Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass es sich bei SARS-CoV-2 um ein zoonotisches Virus handelt. Das bedeutet, dass der Erreger von Wirbeltieren auf den Menschen und umgekehrt übertragbar ist. Es wird angenommen, dass COVID-19 ursprünglich bei Fledermäusen vorkam. Von diesen wurde es vermutlich auf einen Zwischenwirt – also eine andere Tierart – übertragen. Es gibt Vermutungen, dass es sich dabei um das Schuppentier handeln könnte, wissenschaftlich ist dies aber noch nicht bestätigt. Von diesem Zwischenwirt dürfte das Virus schliesslich auf einem Tiermarkt im chinesischen Wuhan auf den Menschen übergesprungen sein. Von dort aus hat es sich sehr schnell zunächst in China und dann in der ganzen Welt verbreitet. Durch die internationale Vernetzung der Gesellschaft bergen solche lokalen Ausbrüche heute eine grössere Gefahr als früher. Die Weltgesundheitsorganisation WHO sah schon 2004 den steigenden Konsum tierischer Produkte als eine Hauptursache für die Zoonosen. Weil die Nachfrage nach tierischen Produkten laufend steigt, werden immer mehr Tiere auf engem Raum gehalten.
"Solange die Menschen Fleisch essen, besteht ein gewisses Infektionsrisiko."
Dr. Gauden Galea, ehem. Leiter der Abteilung Nichtübertragbare Krankheiten und Gesundheitsförderung beim WHO-Regionalbüro für Europa. Aussage im CNN-Interview.
Internationalen Organisationen wie die WHO, FAO, OIE wissen bereits seit vielen Jahren, dass mehr als drei Viertel aller neuer Krankheitserreger, mit denen die Menschheit zu kämpfen hat, von Tieren übertragen werden.5 Dies gilt auch für fast alle in den letzten Jahrzehnten aufgetauchten Erreger: SARS, MERS, Vogelgrippe, Schweinegrippe, Ebola, BSE, HIV. Die grosse Nachfrage nach Fleisch und anderen tierischen Proteinquellen sei einer der Hauptgründe, warum Zoonosen entstehen und sich weiter verbreiten. Die stark zunehmende Fleischnachfrage in vielen Ländern der Welt führe beispielsweise zu einer deutlich intensiveren Landwirtschaft und grossen Tiermärkten.
"Das Problem ist der Fleischhunger in der sich ausweitenden Gesellschaft."
Christian Drosten, Chef-Virologe der Charité Berlin. Im Stern-Interview
Nicht nur die industrielle Nutztierhaltung an sich birgt eine grosse Gefahr: Um der Nachfrage nach Fleisch nachzukommen, werden zusätzlich die natürlichen Lebensräume von wildlebenden Tieren immer weiter reduziert – beispielsweise werden Wälder abgeholzt, damit noch mehr Fleisch produziert werden kann. Auch dies trägt laut WHO zu Zoonosen bei, weil sich dadurch der Kontakt zwischen Menschen, sogenannten Nutz- und Wildtieren erhöht.
Risikopersonen
Je nach Virus steigt oder sinkt die Mortalitätsrate. Wie viele Menschen daran sterben, hängt jedoch nicht nur vom Virus ab: Der Gesundheitszustand der Personen selbst hat darauf einen grossen Einfluss. Neben einem hohen Alter (über 65 Jahre alt), sieht das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bei der aktuellen Corona-Krise Personengruppen mit folgenden Vorerkrankungen als besonders gefährdet an:
- Bluthochdruck
- Diabetes
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Chronische Atemwegserkrankungen
- Erkrankungen und Therapien, die das Immunsystem schwächen
- Krebs
Was hier auffällt: Die ersten drei der aufgelisteten Faktoren werden durch eine Ernährung mit einem hohen Anteil tierischer Produkte gefördert.
Antibiotikaresistenzen
Durch ein Virus geschwächte Personen können schneller an einer zusätzlichen bakteriellen Infektion erkranken: Bakterien können die Schwäche des menschlichen Immunsystems während eines viralen Infektes ausnutzen und das erkrankte Gewebe ein weiteres Mal infizieren, was dann zu einer Sekundär- beziehungsweise Superinfektion führt. Zu den typischen Beispielen einer Superinfektion gehört die bakterielle Sekundärinfektion im Anschluss an eine virale Bronchitis. Dabei besteht die Gefahr, dass die Bronchitis in eine lebensbedrohliche Lungenentzündung übergeht.6
Und auch hier kommt wieder die Fleischwirtschaft ins Spiel: Durch den hohen Einsatz an Antibiotika in der Tiermast gibt es immer mehr Bakterien, die gegen diese wichtige Medikamentengruppe resistent sind.1 / 2 Alleine dadurch ergeben sich viele zusätzliche Todesopfer bei einer Pandemie.7
Riskanter Lebensstil
Die Tierhaltung steht am Anfang und am Ende der Pandemien: Sie sind die häufigste Quelle für gefährliche Krankheitskeime und die Tierhaltung fördert Antibiotikaresistenzen. Eine Reduktion des Konsums tierischer Produkte hätte auf allen Ebenen Vorteile:
- Weniger industrielle Tierhaltung führt zu weniger Antibiotikaeinsatz und dies wiederum zu weniger Antibiotikaresistenzen
- Weniger Krankheitskeime, die von den Tieren auf den Menschen übertragen werden können
- Weniger Krankheiten, die anfälliger auf einen schweren Krankheitsverlauf machen (Bluthochdruck, Diabetes [Typ 2], Herz-Kreislauf-Erkrankungen)
Wir sollten deshalb dringend das dahinterliegende Problem angehen: Nachhaltig den Konsum von Produkten tierischen Ursprungs reduzieren. Dies würde sehr viele Menschenleben retten und auch die Wirtschaft stärken.
Immunsystem stärken
Für neue virale Infektionen gibt es kaum wirksame Medikamente. Selbst Impfstoffe können bestenfalls unser Immunsystem dazu anregen, Antikörper zu bilden. Mit den Viren muss unser Immunsystem selbst fertig werden. Deshalb ist es umso wichtiger, das Immunsystem fit zu halten. Hier einige Tipps dazu:
- Ruhe (Stress und Angst schwächen das Immunsystem)
- Viel Schlaf (damit kann sich unser Körper regenerieren)
- Bewegung – möglichst an der frischen Luft
- Sonne auf der nackten Haut (oder Vitamin D Supplemente)8
- Gesunde Ernährung mit viel Früchten und Gemüse
Renato Pichler
- Antibiotikaeinsatz der einzelnen EU-Länder: European Medicines Agency: Sales of veterinary antimicrobial agents in 30 European countries in 2016.
- Antibiotikaresistenzen in Europa: European Centre for Disease Prevention and Control: Data from the ECDC Surveillance Atlas - Antimicrobial resistance
- Aktuelle Zahl der Verstorbenen die positiv auf den SARS-CoV-2 getestet wurden: Confirmed Cases and Deaths by Country, Territory, or Conveyance
- Analyse der Todesfälle mit Coronavirus in Italien: Report Iss: "Tra gli operatori sanitari contagiati l’età media è molto più bassa"
- Bericht über die Entstehungsursachen von Zoonosen: Report of the WHO/FAO/OIE joint consultation on emerging zoonotic diseases
- Superinfektionen: Ursachen, Symptome und Behandlung
- Bundesamt für Gesundheit: Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen
- Epidemic influenza and vitamin D: Epidemiol Infect. 2006 Dec;134(6):1129-40. Epub 2006 Sep 7. und "First Data to be Published on COVID-19 Severity and Vitamin D Levels" und "Hilft Vitamin D (& C) bei Covid-19?"
- Dr. Michael Greger: Pandemics: History & Prevention, 27.3.2020 (das Video wurde allerdings schon vor über 10 Jahren aufgezeichnet – und ist leider noch immer top aktuell)
- Scientific American: "One Root Cause of Pandemics Few People Think About - It’s our seemingly insatiable desire to eat meat", 24.3.2020
- Dr. Greger: Bluthochdruck mit Lebensstilveränderung senken (englisch: How to Lower Blood Pressure Naturally with Lifestyle Changes), 16.3.2020
- Vegane Gesellschaft Österreich: Ursachenbekämpfung notwendig: Tierprodukte als Auslöser von COVID-19, 18.3.2020
- Vegane Gesellschaft Österreich: Immunsystem stärken
- Albert Schweizer Stiftung: Wie Tierproduktkonsum zu Pandemien beiträgt, 20.3.2020
- The Guradian: Is factory farming to blame for coronavirus?, 28.3.2020
- Dr. Kurt Schmidinger: Konsum von Tierprodukten verursacht Pandemien wie COVID-19, März 2020
- Physicians Committee for Responsible Medicine: Asthma and Coronavirus: How a Plant-Based Diet Could Help, 25.3.2020
- Swissveg-Kampagne: Antibiotikaresistente Keime im Hühnerfleisch, 2018