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Abhängigkeit

Bei Sucht und Abhängigkeit denkt man meist an illegale Drogen wie Kokain, Heroin oder Haschisch. Immer mehr auch an Alkohol und Tabak oder Tablettensucht. Viel weiter verbreitet sind jedoch Abhängigkeiten, die man als solche gar nicht wahrnimmt, weil man die Sucht ständig befriedigt.

Vielen Vegetariern kam schon einmal der Gedanke, dass Fleisch süchtig machen muss. Wie sonst ist zu erklären, dass die meisten Menschen trotz der bekannten Fakten keinesfalls auf den regelmässigen Fleischkonsum verzichten können?
Egal ob das Klima zugrunde geht, Tiere leiden und umgebracht werden, ja sogar wenn die eigene Gesundheit darunter leidet: Auf das Stück Fleisch auf dem Teller wird nicht verzichtet. Noch schlimmer sieht die Situation aus, wenn es um den Konsum von Milchprodukten, insbesondere Käse, geht. In der Schweiz wurden 2022 rund 22.9 kg Käse pro Person konsumiert.1
Dass hinter dieser Vermutung, dass tierische Produkte süchtig machen könnten, tatsächlich auch wissenschaftliche Fakten stehen, zeigt dieser Artikel.

Macht Fleisch süchtig?

Im April 2000 wurde in den USA eine Umfrage gemacht: «Würden Sie eine Woche auf Fleisch verzichten, wenn Sie dafür 1000 Dollar bekommen?» Rund ein Viertel der Befragten würde lieber auf das Geld verzichten, als nur eine Woche auf den Fleischkonsum verzichten.
Wissenschaftler stellten fest, dass Triglyzeride, eine Gruppe von Blutfetten solch ein Verhalten beeinflussen. Sie aktivieren entsprechende Gene im Gehirn, genauer: im Hypothalamus. Diese Gene kurbeln den Heisshunger erst richtig an, berichtete Sarah Leibowitz von der Rockefeller Universität (New York)2, welche sich schon seit längerem mit diesem Thema beschäftigt. Leibowitz geht davon aus, dass schon eine einzige schwere Mahlzeit ausreiche, um die Triglyzeride zu aktivieren und den Teufelskreis von Verlangen nach mehr und Anlage von Fettreserven in Gang zu setzen. Generell trete dieser Mechanismus in Kraft, wenn der Fettanteil in der Ernährung eines Menschen über 30 Prozent hinausschiesst. Grundsätzlich gilt dies für fast alle fettreichen Nahrungsmittel, aber die fettreichsten Nahrungsmittel sind heute tierischen Ursprungs: Fleisch und Milchprodukte.

Der Fleischkonsum ist nicht nur eine Gewohnheit, sondern hat auch ähnliche Eigenschaften wie harte Drogen: Wenn man einer Person Naloxon3 verabreicht, hat dies denselben Effekt wie bei einem Drogenabhängigen: Die Lust nach Fleisch (und Fisch) sinkt. Glücklicherweise kann man diese körperliche Abhängigkeit bereits innerhalb von 3 Wochen vegetarischer Ernährung rückgängig machen.

Zucker und Milch

Schon als Baby ist man «süchtig» nach Süssem. Jedes neugeborene Kind ist darauf konditioniert, da auch die Muttermilch süss ist (durch den enthaltenen Milchzucker) und die gesunden reifen Früchte auch süss schmecken. Der Zucker bewirkt, dass im Gehirn Opiate freigegeben werden. Diese wiederum erhöhen den Dopaminspiegel im Blut, was zu einer positiven Stimmung führt. Dieser Effekt tritt übrigens nicht auf, falls die Mutter während der Schwangerschaft drogenabhängig war.
Doch neben dem Zucker enthält die Milch auch Substanzen, die identisch mit der Droge Morphium sind. Allerdings entstehen diese erst als Abbauprodukte des Eiweisses Casein im Körper, deshalb brauchte es so lange, um dies zu entdecken. Beim Stillen hat dies zur Folge, dass die Bindung des Säuglings zur Mutter zusätzlich gestärkt wird, da Morphine positive Gefühle auslösen.

Von der Natur war aber nie gedacht, dass erwachsene Tiere (inkl. Menschen) weiterhin die Säuglingsnahrung Milch zu sich nehmen. Da Erwachsene selbstständig überlebensfähig sind (im Gegensatz zum Säuglingsalter) ist eine solche Drogenabhängigkeit im Erwachsenenalter nicht sinnvoll.

Sucht nach Käse am stärksten

Wie stark die Sucht nach Käse ist, musste die Ärzteorganisation PCRM aus den USA feststellen, als sie in einer Studie einigen Personen 14 Wochen lang eine gesunde, fettarme vegane Ernährung verschrieb. Die gesundheitlichen Auswirkungen waren enorm: Alle Versuchsteilnehmer hatten am Ende ein idealeres Körpergewicht, diejenigen mit Diabetes (Typ 2) konnten sich von dieser Zuckerkrankheit befreien und sämtliche Blutwerte waren besser als vor Beginn der Studie. Als sie nach den 14 Wochen gefragt wurden, was sie am meisten vermisst haben, war die Antwort eindeutig: Käse. Dies lag wohl kaum daran, dass der Geruch nach alten Füssen so betörend ist, sondern dass Käse zu den caseinreichsten Nahrungsmitteln gehört und somit auch die grösste Suchtwirkung hat.

Droge Schokolade

Dass Schokolade süchtig machen kann, ist eine Alltagserfahrung von vielen Menschen. Es gibt dafür jedoch auch wissenschaftliche Belege.
Schokolade enthält (über den Kakao): Koffein, Theobromin, Phenylethylamine und Anandamid. Daneben sind sehr häufig auch Milch und immer Zucker in der Schokolade enthalten. Bei einer solchen Zusammensetzung müsste es erstaunen, wenn sie keine süchtigmachende Wirkung hätte.
Um ganz sicherzugehen, hat man aber dennoch Versuche mit Personen angestellt, die eine starke Schokoladensucht hatten: Man gab ihnen Opiatblocker, die man auch bei «harten Drogen» wie Heroin für den Entzug einsetzt. Diese wirkten genau gleich wie bei den anderen illegalen Drogen: Die Versuchspersonen verloren damit die starke Lust auf Schokolade.

Gesunde Schokolade

In den letzten Jahren gab es aber auch einige neue Studien zu den Vorteilen des Schokoladekonsums, da Kakao auch gesundheitsfördernde Substanzen enthält.4 Eines hatten all diese Studien jedoch gemeinsam: Alle gesundheitsfördernden Eigenschaften des Kakaos verschwanden, sobald die Schokolade Milch enthielt. Deshalb wird heute empfohlen, man solle dunkle Schokolade (= ohne Milch) konsumieren. Da der Markt für dunkle Schokolade immer grösser wird, gibt es allerdings heute bereits dunkle Schokolade, die auch Milchbestandteile enthält. Hier ist es deshalb nötig, die Zutatenliste zu lesen und sich nicht ausschliesslich auf die Farbe zu verlassen.

Renato Pichler

  1. Pro-Kopf-Konsum von Käse in der Schweiz 2022

  2. Liu Z., Chang G.Q., Leibowitz S.F.: Diacylglycerol Kinase zeta in Hypothalamus Interacts with Long Form Leptin Receptor. Relation to dietary fat and body weight regulation. Journal of Biological Chemistry, 2001 Feb. 23; 276(8):5900-5907.

  3. Naloxon ist ein Opioid-Antagonist. Dass heisst, es wirkt den Opiaten entgegen, indem es selbst die Rezeptoren im Gehirn, die z.B. von Heroin benötigt werden, blockiert. Deshalb wird das Medikament verwendet, um festzustellen, ob eine Person drogenabhängig ist, und um eine Überdosis zu behandeln.

  4. 2:0 für die Bitterschokolade, Bild der Wissenschaft, 12.12.2008

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