Der Dübendorfer Tierarzt Dr. med. vet. Enrico Clavadetscher ist Tierarzt und Tierschützer mit Leib und Seele. Als Vorstandsmitglied der Tierschutzorganisation NetAP – Network for Animal Protection − ist er auch ausserhalb seiner Praxis regelmässig im Einsatz, um Tieren in Not zu helfen.
Enrico Clavadetscher bezeichnet sich selber als Tierfreund und als solcher ist es für ihn selbstverständlich, dass er Tiere nicht isst. «Katzenfreunde essen keine Katzen. Hundefreunde essen keine Hunde. Da sollten doch Tierfreunde logischerweise keine Tiere essen», meint er schmunzelnd.
Diese Erkenntnis hat er vor drei Jahren umgesetzt. «Irgendwie habe ich den Widerspruch immer schon gesehen. Da setzte ich in der Praxis alles daran, ein Katzen- oder ein Hundeleben zu retten, und abends steckte ich dann die Gabel in ein Tier. Das konnte einfach nicht richtig sein. Aber ich war gut im Verdrängen und bildete mir ausserdem ein, dass ich als Sportler Fleisch einfach brauchen würde.»
Vor drei Jahren begann er, sich für NetAP zu engagieren. Die Tierschutzorganisation schreibt in ihren Grundsätzen, dass sie keinen Unterschied mache zwischen den Tierarten. Die Beteiligten zeigen dies auch deutlich in ihrem Engagement und in ihrer Lebensweise. Zudem ist bei NetAP die fleischlose Ernährung eine Voraussetzung für einen Sitz im Vorstand. «Ich begegnete hier Menschen, die den Tierschutzgedanken in ihr Leben integriert haben. Intelligente, humorvolle, engagierte Leute, die mir jeden Tag zeigten, dass ihre Lebensweise kein Verzicht, sondern ein Gewinn ist. Ich ass keine Tiere mehr und lernte dafür eine abwechslungsreiche, schmackhafte, spannende Küche kennen, die mich über alle Massen begeistert.» Mangelerscheinungen zeigt Dr. Clavadetscher auch nach drei Jahren nicht. Im Gegenteil. Er fühlt sich topfit und hat gerade eben den Kilimanjaro bestiegen. Bergsteigen gehört nebst Tierschutz zu seinen Leidenschaften und bei beidem kann er sich Leistungseinbrüche nicht erlauben.
Während seiner Tierschutzeinsätze für NetAP behandelt er nebst Hunden und Katzen auch Esel oder Hühner, eben alles, was dem engagierten Tierarzt gerade vorgestellt wird. «Im letzten Einsatz habe ich zum Beispiel Goggi kennengelernt. Eine aufgeweckte Henne, die stets zu Streichen aufgelegt ist und jeden, der den Ausdruck ‹dummes Huhn› benutzt, eines Besseren belehren könnte.»
Tierärzte sehen sich täglich mit Schmerz und Leid von Tieren konfrontiert. Es ist die Aufgabe eines Tierarztes, diese Schmerzen und Leiden zu lindern und möglichst zum Verschwinden zu bringen. Kein Tierarzt würde je bestreiten, dass Hunde und Katzen leidensfähige Wesen sind, mit ihren eigenen Ängsten und Nöten. Warum aber ignorieren sie, dass auch die sogenannten Nutztiere dieselben Schmerzen spüren und Ängste haben? Warum akzeptieren gerade die Menschen, die täglich mit Tieren zu tun haben und es in der Hand hätten, die Menschen glaubhaft und mit Fachkompetenz über die unermesslichen Leiden der Nutztiere aufzuklären, dass in unserer Gesellschaft noch immer ein Zweiklassensystem herrscht? Ein System, das unterscheidet zwischen den Haustieren, die es wert sind, gehegt und gepflegt zu werden, und den Tieren, die man ausnutzt und denen man jede Persönlichkeit und das Recht auf Leben abspricht? Heute ist das für Dr. Clavadetscher unverständlich. Sich als Tierfreund oder Tierschützer zu bezeichnen und seine Freunde oder die, die man schützen will, unbedacht zu essen, erscheint ihm widersinnig. Bei seinen Kollegen stösst er leider oft auf Unverständnis. Nie scheut er sich aber, für seine Überzeugung einzustehen, und ab und zu bringt er einen Mediziner zum Nachdenken.
Enrico Clavadetscher ist froh, dass er diese Erkenntnis für sich umgesetzt hat, und so ist auch sein Lieblingszitat von Albert Schweitzer keine Überraschung: «Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.»
Esther Geisser
NetAP hat rund 40 Tierärzte, die sich ehrenamtlich für die Organisation einsetzen. Ca. 20% der Tierärzte ernähren sich vegetarisch, eine Tierärztin vegan. Grundvoraussetzung für einen Einsatz mit NetAP ist der Verzicht auf Fleisch nicht, jedoch werden konsequent keine Spesen für Fleisch- oder Fischgerichte vergütet und gekocht wird regelmässig vegan für die Einsatzteams.
- Hilfe für die Ärmsten der Armen, Vegi-Info 2012-4
- Mehr Infos über NetAP sowie deren Projekte finden Sie unter www.netap.ch.