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Bären: Kein Platz für Meister Petz

Zum ersten Mal seit 170 Jahren fand ein Braunbär seinen Weg in die Wälder von Bayern. Wie sich später herausstellte, stammte das Tier ursprünglich aus Italien und war von dort aus nach Deutschland und Österreich gewandert. Aber hätte Bruno der Bär damals gewusst, was ihn dort erwartet – bestimmt hätte er es sich mit seiner Reise nochmals überlegt.

Ein Bär auf Wanderschaft

Die Freude war gross, als der Bär am 18. Mai 2006 in Bayern gesichtet worden war. Der bayerische Umweltminister Werner Schnappauf betonte – nicht ganz ohne Stolz – dass Bruno in Bayern recht herzlich willkommen sei. 
Doch schon zwei Tage später wurde die Freude getrübt. Der Bär hatte drei Schafe gerissen. Die zuständigen Behörden reagierten sofort, doch erste Fangversuche scheiterten. Wieder erlegte Bruno elf Stück Geflügel und zwei Schafe. Die Landwirte in der Region beschwerten sich lauthals über das Raubtier und verlangten sofortige Massnahmen, damit nicht noch mehr Unheil angerichtet werde. Auch der Umweltminister wurde nun sichtlich ungehalten und erklärte Bruno zum «Problembären». Finnischen Suchhunden, Fangnetzen und sogar einer brunftigen Bärin widersetzte sich Bruno standhaft. Innerhalb weniger Tage war der Bär aus Italien vom drolligen Meister Petz also zu einem ungebetenen Gast mutiert. Wie konnte man den Störenfried nur wieder loswerden?

Problemlösung?

Prompt entschied man sich für die scheinbar einzige Lösung, um das Problem ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen. Bruno wurde von Deutschland und Österreich zum Abschuss freigegeben. Der Ursache aber, warum denn der Bär ungewöhnlicherweise auf einmal andere Tiere frisst, ging man in keiner Weise nach. Denn eigentlich ernähren sich Braunbären nicht von Fleisch, sondern in erster Linie von pflanzlicher Nahrung wie Gräsern, Wurzeln, Nüssen, Pilzen und Beeren.1 Aber weil seine bevorzugte Nahrung nicht genügend in den deutschen Wäldern vorhanden ist, hatte Bruno die Wahl: Entweder musste er sich tagelang auf die mühsame Suche nach Nahrung begeben oder er konnte sich nach einer alternativen Nahrungsquelle in der Umgebung umsehen. 
Anstatt also mit Gewehren auf das Tier loszugehen, wäre es auch möglich gewesen, es mit seiner bevorzugten Nahrung von den Menschen fernzuhalten. Dank solch einer Anpassung an die tierischen Bedürfnisse konnten in Australien mit Papageien beachtliche Erfolge erzielt werden, bei denen am Ende Mensch und Tier zufrieden waren(siehe Kasten ganz unten).

Brunos Ende

Doch ein friedliches Miteinander schien nicht mehr möglich. Auf der einen Seite standen die Landwirte, die nicht länger in Kauf nehmen wollten, dass ihr Vieh getötet wird, auf der anderen Seite die Tierschützer, welche sich lautstark dagegen aussprachen, Bruno dem Bären ans Fell zu gehen. Trotz dieser weltweiten Proteste investierte man über 140’000 Euro, um die Jagd auf «JJ1», so sein offizieller Name, zu eröffnen. 
Nachdem wochenlang erfolglos nach dem Tier gesucht wurde, einigten sich Tirol und Bayern darauf, den Bären zu erschiessen, da er eine grosse Gefahr für Mensch und Tier darstelle – auch wenn das Tier keiner Person etwas getan hatte – und die Sicherheit der Menschen unbedingt Vorrang haben musste.
Obwohl die Abschussgenehmigung für die Region Bayern erst am 27. Juni erteilt wurde, erlegte ein vorschneller Jäger Bruno den Bären bereits einen Tag zuvor.

Leider scheint es so, dass die Beteiligten aus diesem ethisch und rechtlich ziemlich bedenklichen Abschuss nicht viel gelernt haben. Denn dieselben «Bärenexperten», welche schon die Abschussgenehmigung für «JJ1» erteilt hatten, planen, auch Brunos Mutter «Jurka» zu töten. Die Bärin lebt seit dem Jahr 2001 in Italien und streift derzeit mit ihren zwei Jungen in der Umgebung von Trient umher. 
Ein Grosswildexperte des deutschen Umweltministeriums begründet die geplante Tötung folgendermassen: Jurka würde auch ihre derzeitigen Jungtiere zu potentiellen «Problembären» erziehen.

Niemandem scheint bewusst zu sein, wie widersprüchlich das Bärenmanagement der zuständigen Behörden gewesen ist. Denn die Jagd auf bedrohte Tierarten wie den Tiger, die Elefanten oder Wale wird aufs Schärfste verurteilt. Tierschützer und Regierungen machen den Indern und Japanern deutlich, dass eine geschützte Tierart aus ethischen Gründen in keinem Fall gejagt oder getötet werden darf, damit die Artenvielfalt des Landes erhalten bleibt. Was geschieht aber, wenn eine gefährdete Spezies in unserer nächsten Umgebung auftaucht?
Anstatt mit einem positiven Beispiel voranzugehen und aufzuzeigen, wie man diese heikle Situation auf souveräne Art lösen könnte, wird der Braunbär kurzerhand erschossen. Und obwohl die Tierschutzorganisationen ansonsten im Sammeln von Spendengeldern für den Schutz von Tierarten, welche in Europa nicht vorkommen, sehr engagiert sind, bleiben entsprechende Aktionen zur Rettung des einheimischen Braunbären aus. Sich in Europa für einen indischen Tiger einzusetzen, ist anscheinend einfacher (und lukrativer), als sich um einen einheimischen Bären oder gar um ein Nutztier in europäischen Ställen zu bemühen. Es erstaunt deshalb nicht, dass auch der WWF den Abschuss des Bären gutgeheissen hat, während er gleichzeitig gegen den Abschuss von Tigern, Löwen und anderen Tieren in anderen Weltregionen kämpft. 
Dass die Ereignisse um Bruno den Bären nicht unbedingt dazu beitragen, vom Aussterben bedrohte Tierarten zu schützen, dürfte wohl klar sein. Länder, welche es selbst mit ihren Tierschutzgesetzen nicht so genau nehmen, können ihr Handeln nun mit einem Fingerzeig auf das «zivilisierte» Europa rechtfertigen – welches selbst ja auch nicht besser ist.

«Wenn der Mensch den Tiger umbringen will, nennt man das Sport. Wenn der Tiger den Menschen umbringen will, nennt man das Bestialität.»
George Bernard Shaw, irischer Dramatiker (1856–1950)
 

Schlussbetrachtung

Mehr als 80 Prozent der deutschen Bevölkerung hatten sich gegen Brunos Tötung ausgesprochen, denn in den letzten Wochen ist der pelzige Gast zu einer Art Haustier für jedermann geworden – und Haustiere tötet man nicht. Der Bär mit seinem Teddy-Image scheint vielen von klein auf näher zu sein als Schweine und Schafe, welche die meisten doch nur aus der Ferne oder durch Zäune hindurch betrachtet haben. Automatisch werden Tiere in die Kategorien Kuscheltier oder Nutztier klassifiziert. Aber wer bestimmt die Grenze zwischen den Tierarten? Ist es einfach das Schicksal von Millionen von Rindern, Schweinen, Kühen und Hühnern, dass sie für einen kleinen Bissen Fleisch ihr Leben lassen müssen, oder verdienen nicht auch sie den Status eines geliebten Haustieres? 
Jedes Tierleben an sich sollte liebens- und schätzenswert sein. Es ist sehr unglaubwürdig, einerseits lautstark die Ermordung von Bruno zu verurteilen, gleichzeitig aber zuzulassen, dass täglich unzählige Tiere ebenso sinnlos für den eigenen Fleischverzehr sterben müssen. Vielmehr sollte man sich dafür einsetzen, zukünftig jegliches Tierleid zu verhindern und nicht nur das der Tiere, die uns nahe stehen.

Bernadette Raschle

Kea-Papageien
Der Kea ist eine Papageienart, die ausschliesslich in den Alpen Neuseelands vorkommt. Hauptsächlich ernährt sich der Vogel von Wurzeln einer bestimmten Baumart. Vor einigen Jahren wurden diese Bäume aber abgeholzt, um stattdessen Land für den Hausbau zu gewinnen. Da die bevorzugte Nahrung des Keas nun nicht mehr vorhanden war, musste er sich nach einer alternativen Nahrungsquelle umschauen, welche ihm die benötigten Nährstoffe lieferte. So benutzte das Tier seinen scharfen Schnabel dazu, den Schafen in der Umgebung das Rückenmark aufzureissen. Seine Krallen, die ihm früher dabei halfen, nach Wurzeln zu graben, gebrauchte der Kea nun, um damit das Fett um die Nieren der Schafe zu essen. Über 1000 Schafe wurden auf diese Weise von den Papageien getötet. Die Bauern waren natürlich sehr wütend über diese Vorfälle und verlangten lautstark, dass die Bäume sofort wieder angepflanzt würden. Wie sich zeigte, war das genau die richtige Lösung. Denn sobald der Kea wieder seine vegetarische Ernährung geniessen konnte, hörten auch die Schaftötungen auf.2
 

 

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