Kürzlich las ich in der Zeitung ein Inserat über eine vegetarische Kinderkrippe, das mir, als langjähriger Vegetarierin, natürlich gleich auffiel. Spontan wählte ich – obwohl selbst ohne Kinder – die im Inserat angeführte Nummer und hatte gleich die Krippenleiterin am Hörer. Aufgrund dieses Gesprächs entstand dann das folgende Interview:
Frau Streule, wie kamen sie dazu, eine vegetarische Kinderkrippe zu eröffnen. Was waren Ihre Beweggründe?
«Ich selbst habe vor ungefähr zehn Jahren aus verschiedenen Gründen aufgehört, Fleisch zu essen, auch weil mir die Tiere leid taten. Von daher war es für mich gar keine Frage mehr, ob ich für die Kinder Fleisch kochen solle. Da die vegetarische Ernährung eigentlich nur Vorteile aufweist, wollte ich den mir Anvertrauten nicht etwas schlechteres anbieten.»
Für Sie bedeutet vegetarisch «ovo-lakto-vegetarisch»?
«Ja, im Moment ist es so. Vor einigen Jahren habe ich ja noch Fleisch gegessen. Es kann also möglich sein, dass ich später z.B. eine vegane Ernährung vertreten werde. Ich lasse das offen und achte einfach bei meiner Entwicklung darauf, dass sie für mich ‹stimmt›, das heisst, dass ich ehrlich zu mir selbst bin und mich nicht überfordere.»
Und beim Käse? Achten Sie darauf, dass er kein Kälber-Lab enthält?
«Nein, ich schaue einfach beim Einkaufen darauf, dass er biologisch ist, wenn möglich bio-dynamisch, aber das ist beim Käse schwierig. Die Eier sind in der Regel KAG-Eier.»
In Ihrer Küche kochen Sie nicht nur vegetarisch, sondern auch vollwertig. Worauf achten Sie beim Zusammenstellen der Menüs?
«In erster Linie verwenden wir sehr viel Getreide und legen Wert darauf, dass die Kinder diese in ihrer Vielfalt schmecken können. Wer kennt denn noch Gerste oder kocht Roggen ? Mein Wunsch ist es, den Kindern eine schöne, eine gute Ernährung ‹hinüberzubringen›. Natürlich verwenden wir auch viel Gemüse, wobei wir hier sehr streng auf rein biologische Produkte achten. Bei den Früchten ist dies auch praktisch immer der Fall. Die Kinder erhalten ungesüssten Tee aus biologischen Kräutern und gewöhnen sich daran, selbst wenn es daheim anders ist. Mit Süssigkeiten wird vorsichtig umgegangen, aber es gibt ab und zu ein ‹Guetzli›. Auch die Jahreszeiten spielen eine Rolle beim Einkaufen: im Winter gibt es natürlich keine Erdbeeren aus Südafrika.»
Wie reagieren die Kinder auf diese Ernährung ?
«Es gibt zwei Kinder, die Gemüse ablehnen. Ansonsten essen alle sehr schön: Gemüse, Salat,... es ist unwahrscheinlich, und ich staune selbst immer wieder. Die Reaktionen der Kinder geben mir das Gefühl, dass wir hier ernährungsmässig auf einem guten Weg sind.»
Wie sind die Reaktionen der Eltern? Hatten Sie jemals wegen der vegetarischen Ernährung Probleme mit den Eltern der Kinder ?
«Für mich ist es sehr wichtig, dass die Eltern genau wissen, was wir den Kindern hier anbieten und dass es vegetarisch ist. Einige Eltern sind sehr froh und dankbar dafür, anderen ist es weniger wichtig. Viele haben auch Angst wegen dem Rinderwahnsinn und wählen aus diesem Grund die vegetarische Ernährung für ihr Kind. Wenn Eltern sich überhaupt nicht damit einverstanden erklären können, dass hier vegetarisch gegessen wird, müssen sie ihr Kind wieder mitnehmen. Das ist bis jetzt aber noch nie vorgekommen.»
Warum heisst Ihre Kinderkrippe ausgerechnet «Gummibärli», da diese in der Regel doch aus Gelatine hergestellt sind ?
«Wir haben sehr lange nach einem Namen gesucht, der ein Thema ist, und er ist tatsächlich auch ein Thema geworden. «Gummibärli» kennt eigentlich jeder; wir haben diese als Kinder geliebt, als wir noch nicht wussten, was drin ist, und mittlerweile gibt es ja auch pflanzliche Alternativen. Der Name hat sich inzwischen als eine wirklich passende Wahl erwiesen, denn viele Eltern haben das Thema aufgegriffen.»
Spielt die ethische Einstellung auch bei der Erziehung der Kinder eine Rolle ?
Ja, indem wir versuchen, die Achtung vor dem Leben den Kindern weiterzugeben. Alle Tiere, die sich beispielsweise in unseren Räumen einfinden, Käfer, Spinnen, Wespen usw. werden vorsichtig mit einem Glas eingefangen, den Kindern gezeigt und dann ins Freie befördert. Und auch Mücken zerdrücken wir nicht einfach zwischen den Händen. Diese Haltung lernen die Kinder von uns, denn Gewalt fängt im Kleinen an und auch Respekt vor dem Leben anderer muss rechtzeitig geübt werden.
Vielen Dank für dieses Gespräch! Möchten Sie zum Schluss noch ein paar Worte sagen, die Ihnen am Herzen liegen ?
«Mein Wunsch wäre es, dass die Menschen sich mehr Gedanken über Ernährung machen, zum einen wegen der Gesundheit und Umwelt, zum anderen wegen den Lebewesen. Ich wünschte, dass mehr Menschen Respekt vor den Lebewesen und allem, was uns umgibt, entwickeln.»
Irena Läuffer Weiss
1998 wurde die Kinderkrippe «Gummibärli» in Altstetten ZH eröffnet, 10 Jahre später konnte die Eröffnung einer zweiten Kinderkrippe «Gummibärli» in Albisrieden gefeiert werden. Natürlich werden die Kinder auch dort vegetarisch versorgt.
Kinderkrippe Gummibärli
Bachmattweg 20/24, 8048 Zürich
Silvia Streule: Tel. 079 678 12 44
Beatrice Wolfensberger: Tel. 079 439 96 88
info@kk-gummibaerli.ch
www.kk-gummibaerli.ch