Grundlagen des Jainismus
Der Jainismus hat wie der Buddhismus seine Wurzeln im Brahmanismus, der Vorgängerreligion des Hinduismus, die etwa im 6./5. Jahrhundert v. Chr. entstanden ist. Im Unterschied zum Hinduismus, mit seinen zahlreichen Göttern, kennt der Jainismus keinen externalen Gott. Dem Jainismus gehörten 2001/2002 etwa 4,4 Millionen Gläubige an, davon etwa 4,2 Millionen in Indien.
Im Jainismus kommt dies durch AHIMSA (Gewaltlosigkeit) die oberste ethische Regel, zum Ausdruck. Richtiger ausgedrückt wäre noch, ohne Ahimsa gäbe es keinen Jainismus, wobei Ahimsa nicht nur die Abwesenheit von Gewalt, sondern auch Fürsorge und Liebe bedeutet und konsequent wie in keiner anderen Religion interpretiert und gelebt wird.
Jainismus und Vegetarismus
Ahimsa umfasst für Jains Gewaltlosigkeit in Gedanken, Worten und Taten und ist nicht nur auf eigene Aktivitäten beschränkt, sondern lässt auch keine aktive oder passive Ermutigung anderer zur Gewalt zu. Die ständige Aufmerksamkeit im Umgang mit jedem Lebewesen führt zum tieferen und umfassenderen Verständnis von Ahimsa. Ein ganz einfaches Beispiel ist der Fleischeinkauf, bei dem wir selbst nicht direkt aktiv werden, aber andere zur Gewalt ermutigen. Auch verbale Aggression oder Gedanken, z.B. in Form von schlechten Wünschen anderen Menschen gegenüber, ist Gewalt, die eine Wirkung und auch Rückwirkung auf uns selbst hat.
Die Ernährung der Jains basiert hauptsächlich auf vegetarischen Produkten. Die indische Küche umfasst das ayurvedische Wissen, um die Wirkung der Lebensmittel und Gewürze auf den Körper und die Psyche (verdauungsfördernd, psychisch aufhellend etc.) festzustellen. Für Mönche und Nonnen, aber auch für manche Laien, gilt das Gebot, keine Lebensmittel zu essen, die unter der Erde wachsen, da beim Ernten zu leicht Lebewesen verletzt oder getötet werden.
Praktische Anwendung
Jains versuchen möglichst wenig Himsa (Gewalt) auszuüben, was im täglichen Leben zu einer hohen ethischen Einstellung führt. Gelübde sind für Mönche, Nonnen und Laien unterschiedlich streng. Die Basisgelübde der Laien sind: Keine rohe Gewalt, nicht lügen, nicht stehlen, sexuelle Reinheit und Nichtgier. Diese Einstellung hat Auswirkungen im Alltagsleben. Vegetarismus ist nur eine davon, andere sind z.B., dass Jains nicht betrügen oder die Berufswahl davon beeinflusst wird. Nicht ausgeübt werden Metzger, alle Berufe der Lederverarbeitung u.ä.. Berufe wie Händler, Ärzte, Lehrer usw. werden bevorzugt. Um nicht Insekten beim Atmen zu verschlucken und so Himsa auszuüben, tragen Mönche und Nonnen eines Ordens immer einen Mundschutz, alle anderen Jains beschränken dies auf die Ausübung ihrer Pujas (religiösen Rituale).
Als weiterführende Unterstützung von Ahimsa verstehe ich die ANEKANTAVADA, die Lehre von der Relativität, die zweite wichtige ethische Doktrin der Jains. Diese besagt, dass es notwendig ist, eine Sache von allen Seiten zu betrachten, um sie gänzlich zu erfassen. Eine einzige Betrachtungsweise oder Meinung ist nie komplett. So wird eine grosse Toleranz gefordert, da die Realität zu komplex ist, um für einen Einzelnen gänzlich erfassbar zu sein. Jeder kennt die endlosen Diskussionen, die oft im Streit enden, und bei denen jeder Teilnehmer versucht, seinen Standpunkt als den einzig Richtigen darzustellen und ihn den anderen aufdrängen möchte. So wie wir von einer Münze die auf dem Tisch liegt auch nur eine Seite sehen, aber die andere Seite trotzdem existiert, sollen wir uns daran erinnern, dass eine Realität von vielen Seiten gesehen werden kann. So können wir von Beharrlichkeit zurücktreten und eher verschiedene Meinungen zulassen und üben beim Durchsetzen der eigenen Meinung nicht verbal Himsa aus.
Traudel Pandya