In den Sessionen diskutieren National- und Ständerat diverse Themen. Wir informieren über die wichtigsten Punkte und fassen die Resultate zusammen. Die Herbstsession 2022 dauert vom Montag, 12. September bis Freitag, 30. September.
Keine Reduktion überschüssiger Labortiere
Das Postulat von Maya Graf (GRÜNE/BL) «Wie kann das mit grossem Tierleid behaftete Züchten und Töten hunderttausender Labortiere reduziert werden?» wurde im Ständerat mit 18 zu 15 Stimmen abgelehnt (bei 2 Enthaltungen). Das Postulat forderte in erster Linie, dass der Bundesrat untersuchen soll, wie die Anzahl der Labortiere, die gezüchtet aber nicht für Versuche verwendet werden, reduziert werden kann. Denn, wie das BLV schreibt, werden nicht alle Tiere aus der Versuchstierhaltung auch in Tierversuchen eingesetzt, da sie nicht den notwendigen Kriterien entsprechen. Beispielsweise haben sie nicht das richtige Geschlecht oder, wenn es um gentechnisch veränderte Tiere geht, nicht die gewünschten genetischen Eigenschaften (siehe Versuchstierhaltungen). Im Speziellen bei gentechnisch veränderten Mäusen und Fischen ist die Anzahl überschüssiger Tiere gross: Nur ein Fünftel der in der Versuchstierhaltung lebenden gentechnisch veränderten Mäuse wird für Versuche verwendet. Vier Fünftel werden mittels Kohlenstoffdioxid-Vergasung qualvoll getötet, ohne dass daraus irgendein Mehrwert für die Forschung generiert wird. Auch der Forderung, dass geprüft werden solle wie die Erhebung und die Entwicklung der überschüssigen Tiere für die Öffentlichkeit nachvollziehbar werden kann, wurde somit nicht nachgekommen. Die Zahlen müssen weiterhin mittels der in den Statistiken vorhandenen Zahlen berechnet werden. Mehr zur Diskussion dieses Postulats. Als nächstes wird das Postulat im Nationalrat diskutiert.
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Entschädigung für verordnete Betriebsschliessungen und Notschlachtungen
Afrikanische Schweinepest. Schlachtbetriebe und die Versorgungssicherheit gefährden?, Motion von Jakob Stark (SVP/TG). Die Motion fordert vom Bundesrat, «für die im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest behördlich verordneten Betriebsschliessungen und Notschlachtungen von verseuchten Tierbeständen raschmöglichst eine Entschädigungslösung für die entstandenen Mehraufwände der jeweiligen Schlacht-, Zerlegungs-, Verarbeitungs- und Entsorgungsbetriebe zu schaffen». Entgegen dem Bundesrat, der die Ablehnung der Motion vorschlug, wurde sie mit 26 zu 10 Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen. Der Bundesrat argumentierte, dass Bund und Kantone «nicht jedes unternehmerische Risiko abdecken [können], das sich bei Betrieben in Zusammenhang mit einem Tierseuchenausbruch ergeben kann». Mehr zur Diskussion dieser Motion. Als nächstes muss der Nationalrat darüber abstimmen.
Rückschritte in der Agrarpolitik
Gleich fünf Motionen forderten die Steigerung der einheimischen Produktion, um die Selbstversorgung zu garantieren. In diesem Zusammenhang kritisierten die Motionär:innen insbesondere zwei Aspekte bestehender Regelungen: Zum einen wurde die 2022 beschlossene Reduktion der Nährstoffverluste bei Nitrat, Stickstoff und Phosphor kritisiert. Ausserdem wurde gefordert, neue Landwirtschaftsflächen verfügbar zu machen. Vor allem Biodiversitätsflächen sollten zur Bewirtschaftung freigegeben werden. Der Bundesrat hatte die Ablehnung dieser Motionen beantragt.
2022 wurde ein neues Verordnungspaket verabschiedet. Zum einen legt dieses neue Reduktionsziele im Hinblick auf die Nährstoffverluste fest. Zum anderen verlangt es mehr Biodiveristätsförderflächen (BFF). Weshalb müssen die Nährstoffverluste gesenkt werden? Gülle und Mist aus der Tierhaltung werden auf den Feldern verteilt. Darin enthalten sind Nährstoffe wie Phosphor, Nitrat und Stickstoff (in Form von Ammoniak). Wenn diese nicht vollständig aufgenommen werden können, entstehen Überschüsse, die sich negativ auf die Umwelt auswirken: Überschüssige Ammoniakablagerungen führen zu Artenverlusten. Nitrat- und Phosphoreinträge beeinträchtigen die Wasserqualität. Die Mindestvorgabe an Biodiversitätsförderflächen auf Ackerflächen beträgt neu 3,5 Prozent. Diese Mindestvorgabe ist im ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) festgehalten – ein Leistungsnachweis, der für den Erhalt von Direktzahlungen erbracht werden muss. Relevant sind Biodiversitätsförderflächen auf den Ackerflächen unter anderem deshalb, weil sie massgeblich zu den Reduktionszielen im Hinblick auf Nährstoffverluste beitragen.
Der Zusammenhang ist klar: Je mehr Tiere gehalten werden, desto mehr umweltschädliche Emissionen entstehen. Ausserdem gilt auch: Je mehr Tiere gehalten werden, umso mehr Futtermittel muss produziert (oder importiert) werden. In seiner Stellungnahme zur Motion «Nahrungsmittelproduktion hat Vorrang» schreibt der Bundesrat deshalb explizit: «Vielmehr bedeutend für die Stärkung der Nahrungsmittelproduktion ist der Anteil der Ackerfläche, der für die direkte menschliche Ernährung verwendet wird. Wenn das Dauergrünland mit standortangepasster Nutzungsintensität zur Milch- und Fleischproduktion genutzt wird und auf der Ackerfläche vermehrt Kulturen zur direkten menschlichen Ernährung angebaut werden, könnte die Kalorienproduktion erheblich erhöht werden.»
Eine 2021 veröffentlichte Studie bestätigt die Aussage, dass Ackerflächen vermehrt für den Anbau von Pflanzen, die direkt für die menschliche Ernährung verwendet werden, benutzt werden sollten: Auf rund 90 Prozent der Schweizer Landwirtschaftsflächen wird Futtermittel für Tiere angebaut. Dazu kommen Futtermittelimporte: 200,000 Hektar zusätzliche Ackerfutterfläche wird im Ausland genutzt. Diese riesigen Flächen sind nötig, da die Produktion tierischer Erzeugnisse die vielen Kalorien pflanzlicher Produkte, die wir Menschen direkt essen könnten, in wenige Kalorien tierischer Erzeugnisse umwandelt.
Auch die Motionär:innen sind sich des Lösungsweges eigentlich bewusst. In ihrer Begründung schreibt Johanna Gapany (FDP), dass das aktuelle Ziel im Hinblick auf die Reduktion von Stickstoff, Phosphor und Nitrat «eine Reduktion des Viehbestands in der Schweiz» erfordern würde. Auch Werner Salzmann (SVP) bemerkt, dass die Reduktion der Nährstoffverluste – so wie sie jetzt angestrebt wird – «zu einer massiven Reduktion der Tierbestände» führen wird.
Die Motionen:
- Dringliche Massnahmen zur Sicherstellung einer besseren Selbstversorgung der Schweiz durch Steigerung der Inlandproduktion, Motion von Marco Chiesa (SVP/TI), wurde vom Ständerat als einzige dieser fünf Motionen mit 36 zu 7 Stimmen abgelehnt (bei 2 Enthaltungen). SDA-Meldung. Die Motion geht in den Nationalrat.
- Stärkung der einheimischen Lebensmittelproduktion durch Aufschub des Vorhabens, mindestens 3,5 Prozent der offenen Ackerflächen neuen Biodiversitätsförderflächen zu widmen, Motion von Marco Chiesa (SVP/TI), wurde vom Ständerat mit 28 zu 15 angenommen (bei 2 Enthaltungen). SDA-Meldung. Die Motion geht in den Nationalrat.
- Abhängigkeiten vom Ausland reduzieren, Motion von Werner Salzmann (SVP/BE), wurde vom Ständerat mit 31 zu 13 Stimmen angenommen (bei 1 Enthaltung). SDA-Meldung. Die Motion geht in den Nationalrat.
- Nahrungsmittelproduktion hat Vorrang, Motion von Beat Rieder (EVP/VS), wurde vom Ständerat mit 30 zu 15 Stimmen angenommen. SDA-Meldung. Die Motion geht in den Nationalrat.
- Ziel zur Verringerung von Nährstoffverlusten senken, Motion von Johanna Gapany (FDP/FR), wurde vom Ständerat mit 25 zu 18 Stimmen angenommen (bei 1 Enthaltung). SDA-Meldung. Die Motion geht in den Nationalrat.
Keinen Hörnerfranken
Einen «Hörnerfranken» als Tierwohlbeitrag einführen (Hornkuh-Motion), Motion von Roberto Zanetti (SP/SO). Nachdem die Motion in der Sommersession 2022 im Ständerat mit 23 zu 19 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen wurde, hat der Nationalrat die Motion mit 92 zu 86 Stimmen bei 13 Enthaltungen abgelehnt (siehe SDA-Meldung). Damit ist die Motion vom Tisch. Die Motion forderte vom Bundesrat, dass in der Direktzahlungsverordnung (SR 910.13) im Abschnitt zu den Tierwohlbeiträgen die Ausrichtung eines finanziellen Beitrags hinzufügt wird. Der Beitrag hätte für die Belassung der Hörner bei hörnertragenden Tiergattungen ausgesprochen werden sollen.
Regulierungssaison für Wölfe
Im Rahmen einer parlamentarischen Initiative hat die ständerätische Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie am 24. Juni 2022 einen Entwurf für die Teilrevision des Jagdgesetzes verabschiedet. Im Zentrum stand dabei die Regulierung der Wölfe: Sie sollen nicht nur geschossen werden dürfen, nachdem sie Schäden angerichtet haben, sondern bereits im Voraus, um mögliche Schäden zu verhindern. Das heisst, neu sollen auch Bestandesregulierungen möglich sein: Zwischen dem 1. September und dem 31. Dezember sollen Wölfe reguliert werden dürfen. Der Ständerat nahm die Vorlage mit 31 zu 6 Stimmen bei 4 Enthaltungen an (siehe SDA-Meldung). Als nächstes wird die Vorlage im Nationalrat diskutiert.