Würdigung eines vegetarischen Philosophen
Immer stellte er seine Arbeit in den Mittelpunkt. Deshalb kennt ihn kaum jemand, obwohl in der Deutschschweiz die meisten seiner Arbeit bereits begegnet sind. Am 12. Juli 2005 ist Johannes Schoch im Alter von 89 Jahren gestorben.
Ob in Chur, Schaffhausen, Aarau, Luzern, Basel oder Bern: Überall findet man heute Felsen, bemalt mit Sprüchen, die aufrütteln und manche auch irritieren. Die Sprüche sind keine Zitate aus Büchern, sondern Weisheiten des Philosophen selbst. In Gedenken an Hans Schoch drucken wir in dieser Ausgabe einige der Inschriften ab.
Seit Bestehen der SVV hat er unsere Organisation unterstützt. Schon in den Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts wurde er Vegetarier und hat seither auf vielfältige Weise versucht, den Menschen die Vorzüge dieser Lebensweise näher zu bringen.
Die Steinbeschriftungen sind sein grösstes und zugleich letztes Projekt. Damit erreicht er Leute an den richtigen Orten: Die Schriften findet man vor allem dort, wo die Menschen häufig vorbeikommen und etwas Zeit haben, um darüber nachzudenken: an Wanderwegen, Flussufern und öffentlichen Plätzen.
Obwohl immer wieder sein vegetarisches Anliegen erkennbar ist, hat er seine Texte der jeweiligen Umgebung angepasst. Zum Beispiel ist er in Inschriften in Sichtweite des Novartis-Geländes in Basel auf das Thema Tierversuche und Geld eingegangen. Oder an manchen Fischerplätzen an Seen griff er das Thema Fischerei auf. Natürlich macht man sich so nicht nur Freunde, doch war dies auch nie sein Ziel. Er regte die Menschen zum Nachdenken an, indem er unbequeme Gedanken äusserte.
Er malte immer am Tage und wurde dabei natürlich an diesen gut besuchten Stellen oft von Passanten gesehen. Nur selten gab es dadurch aber Probleme. Die meisten, die sich zu seiner Arbeit äusserten, gratulierten ihm dazu. Die anderen waren vermutlich froh, nicht über diese Themen sprechen zu müssen.
Mögen seine Texte noch viele Wanderer und Suchende inspirieren …
Renato Pichler
Weitere Fotos von Inschriften von Johannes Schoch finden Sie in der Vegi-Info 2005/3 auf insgesamt 6 Seiten.
Seit Ende 2007 gibt es eine Vegi-Stiftung, die aus dem Nachlass von Hans Schoch gegründet werden konnte. Im Vegi-Info 2007/4 wurde diese Stiftung vorgestellt
Persönlicher Nachruf auf Johannes Schoch (14. Mai 1916–12. Juli 2005)
Hans, so wurde er genannt, ist in einem Bergbauernhöfchen oberhalb Heiden im Appenzell mit acht Geschwistern in sehr armen Verhältnissen aufgewachsen. In der Schule war er unterfordert mit seinem wachen Geist. Zuhause hatte er viele traurige, aber auch positive Erlebnisse im damals üblichen Umgang mit Tieren.
Obwohl hoch intelligent und eher schmächtig in der Konstitution, machte er die Berufslehre als Maurer. Später hat er dann einen Biohof ohne Tiere betrieben.
Mit zwanzig Jahren erfuhr er zum ersten Mal in seinem Leben, dass man ohne Fleisch, ohne Tiere zu quälen und zu schlachten, gesund und ethisch richtig leben kann. Von einem Tag auf den anderen hörte er auf, Fleisch zu essen, und studierte alle erreichbaren Schriften in Bezug auf Vegetarismus, Ethik, Christentum, wahres Evangelium, ja sogar die indische Bhagavad-Gita hatte er gelesen.
Fortan predigte er sein ganzes Leben lang über den Vegetarismus. Er studierte vier verschiedene Bibelausgaben nebeneinander und war bemüht, im Sinne des Evangeliums sein Leben auszurichten.
Meine Eltern hat er kennen gelernt, als meine Schwester und ich noch Kinder waren. Er war dann in unserer Familie der Onkel Hans, der Freund meiner Eltern, die, wie er, selbstverständlich vegetarisch lebten. Mein Vater war Fotograf, und so half er Hans bei seiner Mission, den Vegetarismus zu verbreiten. Hans fotografierte und filmte in Schlachthäusern. Damals hatte er noch freien Zutritt. Die Schlächter hatten keine Ahnung, dass man ihr grausiges Handwerk als solches ansehen könnte. Mit dem Fahrrad und einem Anhänger reiste er in der Schweiz herum und stellte seine selbst gefertigten Plakate auf, wo auch immer Menschenansammlungen waren. An Ideen mangelte es ihm bis zuletzt nie. Von Natur ein Künstler, fand er dann seine Lebensaufgabe, indem er überall in der Schweiz, auf den Bergen, in den Städten, an Touristenorten, am Rheinfall, an den Seen usw., hunderte selbst erdachte, mahnende, aufrüttelnde Weisheitssprüche in wunderbarer Schrift niederschrieb. Jedes Jahr hat er sie kontrolliert und wenn nötig restauriert. Vieles wurde ihm verunstaltet. Dann hat er die Arbeit einfach wieder neu geschrieben. Wenn er aber spürte, dass der Widerstand zu gross war, liess er den Platz in Ruhe.
Viele Menschen dankten ihm für seine Bemühungen, aber einige waren absolut wütend auf ihn und hetzten die Polizei auf ihn. Manchmal musste er vor Gericht, manchmal gab es eine Busse, aber meistens liessen sie ihn laufen.
Ich habe Hans einmal gefragt, warum er sich nicht zuerst eine Bewilligung einhole. Darauf erwiderte er in typischer Weise: «Ich möchte nicht, dass ein Beamter die Verantwortung für meine Arbeit übernehmen muss. Die trage ich selber, egal was dabei herauskommt.»
Hans hat viele Jahre völlig unabhängig und selbständig in einem kleinen Zimmer mit WC, Dusche und Kochgelegenheit bei unserer Familie gelebt. Seine Sachen, Kleider, Schuhe usw., flickte er immer selber. Etwas noch Brauchbares wegzuwerfen, war für ihn undenkbar.
Als er merkte, dass er immer schwächer wurde, begann er, zwei Wochen bevor er seinen Körper aufgab, zu fasten und wurde zusehends schwächer. Er schlief die meiste Zeit, und wenn er wach war, war er noch bei vollem Bewusstsein. Wenn er wach mit geschlossenen Augen dalag, sah er ein Licht. Er atmete wunderbar ruhig und entspannt.
In der letzten Nacht schlief meine Schwester bei ihm, sie erwachte aber erst, als er eben seinen Körper aufgegeben hatte.
Hans wünschte keine lebensverlängernden Massnahmen. Da er auch nach seinem Tod niemandem zur Last fallen wollte, bestimmte er schon früh, dass sein zurückgebliebener Körper kremiert werden solle. Mit der Urne könne ich machen, was ich wolle. So haben wir seine Asche im Wald bei einem seiner Verse hingestreut.
Sein erfülltes Leben im Dienst für die leidenden Menschen und Tiere wird noch lange seine Wirkung haben. Über die Zeit hinaus, wo die Schriften auf den Steinen nicht mehr zu lesen sein werden.
Lieber Hans, du warst eine grosse Seele. Du warst uns ein Vorbild. Wir danken dir.
Ella Läuffer