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14.08.2024 | Christine

Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat pünktlich zur Grillsaison ein Merkblatt herausgegeben mit dem Titel «Hygiene beim Grillieren sorgt für ein ungetrübtes Vergnügen». Darin wird vor den möglichen Folgen des Verzehrs von grilliertem Fleisch gewarnt.

Belastung mit Salmonellen und Kolibakterien

«Wenn Sonne und angenehme Temperaturen die Menschen im Sommer ins Freie locken, beginnt die beliebte Grillsaison. Leider wird beim Grillieren nicht immer auf die notwendige Hygiene geachtet, weshalb es zu Lebensmittelinfektionen kommen kann. [...]» Mit diesen zwei Sätzen beginnt das Merkblatt des BLV.1
Denn rohe Lebensmittel wie Fleisch, Geflügel, Eier, Fisch und Meeresfrüchte können Keime enthalten. Unsachgemässe Lagerung und Zubereitung können diese Keime auf den Menschen übertragen und zu Magen-Darm-Erkrankungen führen.

«Auf rohem Fleisch muss mit unerwünschten Keimen gerechnet werden: Geflügelfleisch ist häufig mit Campylobacter belastet, seltener mit Salmonellen; Rindfleisch kann pathogene Kolibakterien enthalten und Schweinefleisch Yersinia enterocolitica oder Salmonellen. Die Konsumentinnen und Konsumenten können dies jedoch nicht erkennen, da die Qualität (Geschmack, Geruch, Farbe) des betroffenen Fleisches überhaupt nicht beeinträchtigt ist.»

Diese Keime würden aber nur eine Gefahr darstellen, wenn bei der Zubereitung die «gängigen Hygieneregeln» nicht beachtet werden. Die vier wichtigsten Hygieneregeln sind gemäss dem BLV: 
   1. Reinigen von Händen und Arbeitsutensilien (z.B. Gabeln oder Grillzangen). 
   2. Finger nicht ablecken und übriggebliebene Marinade nicht kalt verzehren.
   3. Fleisch vollständig durchbraten.
   4. Separate Teller für rohes und gegrilltes Fleisch verwenden.4 


Als weiterführende Literatur verweist das BLV auf ein Merkblatt über den Umgang mit rohem Fleisch.

Gängige Hygieneregeln?

Es stellt sich die Frage, ob die oben genannten Hygieneregeln wirklich so gängig sind wie vom BLV behauptet. Bereits ein Bericht des Bundesamts für Gesundheit (BAG) aus dem Jahr 2002 zeigt, dass die Küchenhygiene in Privathaushalten nachlässt. Mögliche Gründe hierfür seien unter anderem die Verbreitung von Convenience Food (Fertiggerichten), wodurch das Wissen in der Küche abgenommen habe. Reisen ins Ausland und der Verzehr von Geflügelfleisch seien die zwei grössten Risikofaktoren für eine Erkrankung wegen Salmonellen- und Campylobacter-Keimen. Schon damals wurde eine Aufklärungskampagne zum Umgang mit rohem Fleisch lanciert, um Wissenslücken – konkret regelmässiges Händewaschen, rohes Fleisch immer kühl lagern und schnell aufbrauchen – zu schliessen.5 Der Trend hin zu Fertiggerichten hat sich in den letzten Jahren weiter verstärkt. Daher ist davon auszugehen, dass «gängige Hygieneregeln» immer mehr verlernt werden.

Lebensmittelinfektionen immer häufiger

Jährlich erkranken mehrere tausend Menschen an Lebensmittelinfektionen, was hohe Gesundheitskosten verursacht: In der Schweiz werden dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) jährlich bis zu 10'000 Fälle von Lebensmittelinfektionen gemeldet, davon 7'000-8'000 Campylobacterinfektionen, die häufig Durchfall verursachen. Diese Infektionen verursachen Gesamtkosten von bis zu 50 Mio. Franken, wovon 10 Mio. auf Campylobacterinfektionen entfallen.6 
Dabei ist die Zahl der Krankheitsausbrüche in den letzten Jahren deutlich angestiegen: 2020 wurden 13 lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche verzeichnet, 2021 bereits 37 und 2022 40. Ein Krankheitsausbruch liegt vor, wenn eine Krankheit oder Infektion bei mindestens zwei Personen auftritt und mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dasselbe Lebensmittel zurückgeführt werden kann oder die Anzahl der lebensmittelbedingten Krankheitsfälle deutlich höher ist als erwartet. Ein Krankheitsausbruch geht somit mit mehreren Fällen einher. Beispielsweise gab es im Jahr 2022 schweizweit 40 lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche wodurch mehr als 780 Personen erkrankten. Diese Zahl ist deutlich tiefer als die aller Lebensmittelinfektionen, da diese keine Einzelfälle, sondern nur zusammenhängende Fälle berücksichtigt. Es ist ausserdem zu beachten, dass nicht alle lebensmittelbedingten Infektionen gemeldet werden – die Dunkelziffer fällt also wahrscheinlich deutlich höher aus.7

Achtung vor Antibiotikaresistenzen und Langzeitfolgen

Was viele nicht wissen: Fleisch kann nicht nur mit unerwünschten Bakterien belastet sein, sondern diese Bakterien können auch noch antibiotikaresistent sein. Diese antibiotikaresistenten Bakterien stellen ein immer grösseres Gesundheitsproblem dar und werden durch den Konsum tierischer Produkte gefördert. Antibiotika werden in der Massentierhaltung standardmässig eingesetzt, wodurch es vermehrt zu Antibiotikaresistenzen kommt und Antibiotika wirkungslos werden. Dies kann beim Menschen zu tödlichen Krankheiten führen, da eigentlich leicht zu behandelnde Infektionen nicht mehr auf Antibiotika ansprechen.8 Zwar lässt sich das Risiko gemäss dem BLV mit dem richtigen Umgang mit Lebensmitteln verringern – doch die Gefahr besteht weiterhin.9 Insbesondere, wenn man solchen Antibiotikaresistenzen häufig ausgesetzt ist, erhöht sich das Risiko einer «Übertragung» auf den Menschen massgeblich. In der Schweiz sind Antibiotikaresistenzen längst ein ernstzunehmendes Thema: Ein Bericht des Bundes aus dem Jahr 2014 zeigt, dass drei von vier Poulet-Erzeugnissen mit antibiotikaresistenten Keimen kontaminiert sind.10

Video zur Swissveg-Kampagne «HuHngesund? - Ungesund».

 
Was auch nicht ausser Acht gelassen werden darf, sind die möglichen Langzeitfolgen des Konsums von verarbeitetem sowie rotem Fleisch. Auf dem Grill landen mehrheitlich Würste, Grillspiessli, Spareribs oder auch mal ein Steak, also mehrheitlich verarbeite bzw. rote Fleischwaren. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft verarbeitetes Fleisch wie Speck, Wurstwaren oder Schinken als «krebserregend» und rotes Fleisch als «wahrscheinlich krebserregend» ein. Gemäss aktueller Studienlage erhöht ein Konsum ab 50 g pro Tag die Sterblichkeit sowie das Risiko für Dickdarmkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.11, 12

Lösung: Kein Fleisch grillieren!

Um die oben genannten Probleme zu umgehen, ist der einfachste Weg, erst gar kein Fleisch zu grillieren. Dieser Vorschlag wird aber vom BLV scheinbar nicht in Erwägung gezogen. Kürzlich hat der Bundesrat sogar wieder beschlossen, die Werbegelder für Schweizer Fleisch weiter zu verlängern – mit rund 34 Millionen Schweizer Franken pro Jahr.13 Und das, obwohl gemäss unserer neuen repräsentativen Umfrage die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung die Subventionierung von Fleischwerbung durch Steuergelder ablehnt. Dennoch ist für viele ein Stück Fleisch vom Grill einfach nicht wegzudenken. Was aber die Gefahr der ungewollten Keime am ehesten reduzieren würde, wäre, erst gar kein Fleisch aufzutischen. Denn auch Vegiwürste, Gemüse, Maiskolben und Co. machen sich super auf dem Grill. Zwar können auch Gemüse und andere pflanzliche Lebensmittel Träger von Keimen sein. Diese stammen jedoch meist ursprünglich aus der Tierhaltung, da die Pflanzen beispielsweise mit Fäkalien gedüngt werden. Allerdings besteht die Gefahr einer Lebensmittelinfektion in der Regel nur, wenn Gemüse nicht gründlich gewaschen wird oder Lebensmittel unsachgemäss gelagert werden. Zudem ist das Risiko einer Lebensmittelinfektion und Übertragung von antibiotikaresistenten Keimen deutlich geringer als bei Fleisch.14 
Vorsicht ist dennoch geboten: Falls Fleisch mit vegetarischen Grilladen auf dem Grill landet, müssen die genannten Hygieneregeln weiterhin strikte beachtet werden. Denn über das Fleisch können die Keime auch auf andere Lebensmittel übertragen werden.15 Ein komplett pflanzliches Grillfest wäre also die beste Lösung für alle!

  1. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV. (2024a). Hygiene beim Grillieren sorgt für ein ungetrübtes Vergnügen. www.blv.admin.ch/dam/blv/de/dokumente/lebensmittel-und-ernaehrung/lebensmittelsicherheit/krankheitserreger-und-hygiene/hygiene-beim-grillieren.pdf.download.pdf/Hygiene%20beim%20Grillieren.pdf
  2. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV. (2024b, Februar 29). Richtig zubereiten – sicher geniessen. www.blv.admin.ch/blv/de/home/lebensmittel-und-ernaehrung/lebensmittelsicherheit/krankheitserreger-und-hygiene/hygiene.html
  3. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV. (2024a). Hygiene beim Grillieren sorgt für ein ungetrübtes Vergnügen. www.blv.admin.ch/dam/blv/de/dokumente/lebensmittel-und-ernaehrung/lebensmittelsicherheit/krankheitserreger-und-hygiene/hygiene-beim-grillieren.pdf.download.pdf/Hygiene%20beim%20Grillieren.pdf
  4. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV. (2024a). Hygiene beim Grillieren sorgt für ein ungetrübtes Vergnügen. www.blv.admin.ch/dam/blv/de/dokumente/lebensmittel-und-ernaehrung/lebensmittelsicherheit/krankheitserreger-und-hygiene/hygiene-beim-grillieren.pdf.download.pdf/Hygiene%20beim%20Grillieren.pdf
  5. Schweizer Privatküchen weniger sauber. (2003, 7. Juli). swissinfo.ch. www.swissinfo.ch/ger/finanzplatz-schweiz/schweizer-privatkuechen-weniger-sauber/3397098
  6. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV. (2024b, Februar 29). Richtig zubereiten – sicher geniessen. www.blv.admin.ch/blv/de/home/lebensmittel-und-ernaehrung/lebensmittelsicherheit/krankheitserreger-und-hygiene/hygiene.html
  7. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV. (2023). Lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche (S. 1–9). www.blv.admin.ch/dam/blv/de/dokumente/lebensmittel-und-ernaehrung/lebensmittelsicherheit/krankheitserreger-und-hygiene/bericht-lebensmittelbedingte-krankheitsausbrueche-2022.pdf.download.pdf/bericht-lebensmittelbedingte-krankheitsausbrueche-2022-de.pdf
  8. Bundesamt für Gesundheit BAG, Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV, Bundesamt für Landwirtschaft BLW & Bundesamt für Umwelt BAFU. (2015). Strategie Antibiotikaresistenzen Schweiz. www.star.admin.ch/dam/star/de/dokumente/strategiebericht-star.pdf.download.pdf/strategiebericht-star-de.pdf
  9. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV. (2024b, Februar 29). Richtig zubereiten – sicher geniessen. www.blv.admin.ch/blv/de/home/lebensmittel-und-ernaehrung/lebensmittelsicherheit/krankheitserreger-und-hygiene/hygiene.html
  10. Mennig, D. (2014, 2. Dezember). Multiresistente Keime im Pouletfleisch: Konsumenten in Gefahr. Schweizer Radio und Fernsehen (SRF). www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/gesundheit-multiresistente-keime-im-pouletfleisch-konsumenten-in-gefahr
  11. World Health Organization. (2015, 26. Oktober). Cancer: Carcinogenicity of the consumption of red meat and processed meat. www.who.int/news-room/questions-and-answers/item/cancer-carcinogenicity-of-the-consumption-of-red-meat-and-processed-meat
  12. Farvid, M. S., Sidahmed, E., Spence, N. D., Angua, K. M., Rosner, B. A. & Barnett, J. B. (2021). Consumption of red meat and processed meat and cancer incidence: a systematic review and meta-analysis of prospective studies. European Journal Of Epidemiology, 36(9), 937–951. doi.org/10.1007/s10654-021-00741-9
  13. Pinto, C. (2024, 29. Juli). Schweizer Fleisch: Bund zahlt weiter Millionen für das Marketing. Tages-Anzeiger. www.tagesanzeiger.ch/schweizer-fleisch-bund-zahlt-weiter-millionen-fuer-das-marketing-281803156594
  14. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV. (2022, 20. Mai). Bakterielle Krankheitserreger in Lebensmitteln. www.blv.admin.ch/blv/de/home/lebensmittel-und-ernaehrung/lebensmittelsicherheit/krankheitserreger-und-hygiene/bakterien.html
  15. Bundesinstitut für Risikobewertung. (2014). Schutz vor Infektionen mit enterohämorrhagischen E. coli (EHEC). www.bfr.bund.de/cm/350/verbrauchertipps-schutz-vor-infektionen-mit-enterohaemorrhagischen-e-coli-ehec.pdf
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