Mehr als 400 Akademikerinnen und Akademiker aus 40 Ländern, die sich auf die Moralphilosophie und die politische Philosophie spezialisiert haben, proklamieren die grundlegende Ungerechtigkeit der Ausbeutung von Tieren auf der Grundlage des aktuellen Wissensstands in ihren Fachgebieten: «Wir verurteilen die Praktiken, bei denen Tiere als Objekte oder Waren behandelt werden. Wir erklären, dass die Ausbeutung von Tieren, insofern sie mit unnötiger Gewalt und Schaden einhergeht, ungerecht und moralisch nicht vertretbar ist.» Untenstehende Erklärung (Deklaration von Montreal) wurde von Forschenden des Centre de Recherche en Éthique de Montréal initiiert. Sie erinnert in ethischer Hinsicht an die Cambridge Declaration on Consciousness.
Deklaration von Montreal über die Ausbeutung von Tieren
Wir sind Forscherinnen und Forscher im Bereich der Moralphilosophie und der politischen Philosophie. Unsere Arbeit ist in unterschiedlichen philosophischen Traditionen verwurzelt und wir sind selten alle der gleichen Meinung. Wir sind uns jedoch darin einig, dass wir unsere Beziehungen zu anderen Tieren grundlegend verändern müssen. Wir verurteilen Praktiken, bei denen Tiere als Objekte oder Waren behandelt werden.
Insofern sie mit unnötiger Gewalt und Schaden einhergeht, erklären wir die Ausbeutung von Tieren für ungerecht und moralisch nicht vertretbar.
In der Ethologie und Neurobiologie ist gut belegt, dass Säugetiere, Vögel, Fische und viele wirbellose Tiere empfindungsfähig sind, d. h. sie können Freude, Schmerz und Emotionen empfinden. Diese Tiere sind bewusste Subjekte; sie haben ihre eigene Sicht auf die Welt um sie herum. Daraus folgt, dass sie Interessen haben: Unser Verhalten wirkt sich auf ihr Wohlbefinden aus und kann ihnen nützen oder schaden. Wenn wir einen Hund oder ein Schwein verletzen, ein Huhn oder einen Lachs in Gefangenschaft halten, ein Kalb wegen seines Fleisches oder einen Nerz wegen seiner Haut töten, verstossen wir schwerwiegend gegen die grundlegendsten Interessen dieser Tiere.
Doch all diese Schäden könnten vermieden werden. Natürlich ist es möglich, auf das Tragen von Leder, den Besuch von Stierkämpfen und Rodeos oder das Zurschaustellen von Löwen in Zoos zu verzichten. Die meisten von uns kommen schon jetzt gut ohne tierische Lebensmittel aus und bleiben dabei gesund. Die künftige Entwicklung einer veganen Wirtschaft wird dies noch einfacher machen. Aus politischer und institutioneller Sicht ist es möglich, Tiere nicht mehr als blosse Ressourcen zu betrachten, die zu unserer freien Verfügung stehen.
Die Tatsache, dass diese Individuen keine Mitglieder der Spezies Homo sapiens sind, ändert daran nichts: Auch wenn es natürlich erscheint, dass die Interessen von Tieren weniger zählen als die vergleichbaren Interessen von Menschen, hält diese speziesistische Intuition einer genauen Prüfung nicht stand. Bei sonst gleichen Bedingungen kann die blosse Zugehörigkeit zu einer biologischen Gruppe (unabhängig davon, ob sie durch die Art, die Hautfarbe oder das Geschlecht definiert wird) keine ungleiche Berücksichtigung oder Behandlung rechtfertigen.
Es gibt Unterschiede zwischen Menschen und anderen Tieren, genauso wie es Unterschiede zwischen Individuen innerhalb der Arten gibt. Bestimmte hoch entwickelte kognitive Fähigkeiten führen zwar zu besonderen Interessen, die wiederum eine besondere Behandlung rechtfertigen können. Aber die Fähigkeiten eines Menschen, Symphonien zu komponieren, fortgeschrittene mathematische Berechnungen anzustellen oder sich in eine ferne Zukunft zu versetzen, wie bewundernswert sie auch sein mögen, ändern nichts an der Berücksichtigung seines Interesses, Freude zu empfinden und nicht zu leiden. Die Interessen der Intelligenten unter uns zählen nicht mehr als die entsprechenden Interessen der weniger Intelligenten. Etwas anderes zu behaupten, würde bedeuten, die Menschen nach Fähigkeiten zu bewerten, die keine moralische Relevanz haben. Eine solche ableistische Haltung wäre moralisch nicht zu rechtfertigen.
Es ist daher schwierig, sich dieser Schlussfolgerung zu entziehen: Die Ausbeutung von Tieren ist von Grund auf ungerecht, weil sie den Tieren unnötig schadet. Dementsprechend ist es unerlässlich, auf ihre Abschaffung hinzuarbeiten, insbesondere durch die Schliessung von Schlachthöfen, das Verbot des Fischfangs und die Entwicklung einer pflanzlichen Landwirtschaft. Wir machen uns nichts vor; kurzfristig wird ein solches Projekt nicht zu verwirklichen sein. Es erfordert insbesondere die Abkehr von tief verwurzelten speziesistischen Gewohnheiten und eine grundlegende Umgestaltung zahlreicher Institutionen. Wir glauben jedoch, dass das Ende der Ausbeutung von Tieren der einzige gemeinsame Horizont ist, der sowohl realistisch als auch gerecht für Nichtmenschen ist.