In der Nacht auf den 24. September 2021 verstarb Erwin Kessler im Alter von 77 Jahren. Einer der bekanntesten und konsequentesten Tierschützer der Schweiz ist von uns gegangen.
Er hinterlässt eine grosse Lücke im Schweizer Tierschutz.
Seit Ende der 80er-Jahre setzte er sich für die sogenannten Nutztiere ein. 1989 gründete er dazu den Verein gegen Tierfabriken (VgT), den er bis zu seinem Tod leitete.
In den rund drei Jahrzehnten prägte er den Schweizer Tierschutz wie kaum ein anderer. Durch Bilder aus Schweizer Tierfabriken zeigte er der Öffentlichkeit auf, wie ihr Fleisch produziert wird. Er verabscheute Lügen – auch diejenige aus der Fleischwerbung. Deshalb verbreitete er die Realität aus den Ställen in seinem Heft, das er zeitweise in einer Auflage von mehreren Millionen in Schweizer Haushalte verteilen liess.
Bekannt wurde er vor allem dadurch, dass er für die Tiere auch vor Gericht kämpfte. Er kannte das Schweizer Tierschutzgesetz besser als die meisten Richter und Anwälte.
Er gewann viele wegweisende Gerichtsverfahren – auch wenn er oft bis vors Bundesgericht oder gar den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gehen musste. Da seine Aufklärungsarbeit bei vielen Mächtigen ein Dorn im Auge war, musste er gegen die Schweizer Post (die sein Heft nicht verteilen wollte), gegen das Schweizer Fernsehen SRF (die eine bezahlte Werbung gegen den Fleischkonsum nicht ausstrahlen wollten) und die SBB (sie weigerte sich VgT-Werbung für die vegetarische Ernährung aufzuhängen) prozessieren. Selbst die Anwälte von Daniel Vasella (damaliger Novartis Chef) verloren gegen ihn vor Bundesgericht: Sie wollten ihm verbieten, die Tierversuche von Novartis als Massenverbrechen und damit indirekt auch Daniel Vasella als Massenverbrecher zu bezeichnen. Immer wieder wurde ihm von bestimmten Kreisen vorgeworfen, dass er vom «Holocaust der Nutztiere» sprach und auch das rituelle Schächten als Tierquälerei anprangerte.
Zuletzt wurde er schweizweit bekannt durch den Tierquälerfall «Hefenhofen» bzw. Fall Ulrich K.: Der Bauer quälte dort 15 Jahre lang seine Tiere. Immer wieder versuchten Tierschutzorganisationen dies zu stoppen. Doch die zuständigen Behörden schauten weiter weg, da sie vor dem Bauer selbst Angst hatten. Erst als Erwin Kessler mit seinem VgT den Fall zusammen mit dem Blick schweizweit bekannt machte, mussten die Behörden einschreiten.
Trotz der vielen Erfolge vor Gericht musste er feststellen, dass das Elend in den Schweizer Tierfabriken weiter geht. Deshalb fokussierte er seine Arbeit in den letzten Jahren auf die Aufklärung der Bevölkerung: Wenn immer mehr vegan leben, wird der Tierindustrie die finanzielle Grundlage entrissen.
Auch wenn er in der Öffentlichkeit oft als Einzelkämpfer wahrgenommen wurde, so hat er doch auch ausserhalb des VgT's vieles angestossen:
Durch ihn entstand der Verein gegen Tierfabriken Österreich (VGT), er gründete den Club der Rattenfreunde, in den ersten Jahren der SVV (der heutigen Swissveg) publizierten wir unsere Informationen im Heft des VgT. Bis wir ein eigenes Heft herausgaben. Ich erstellte dafür das Layout der ersten VgT-Heftausgaben und unterstützte den Aufbau des VgT in der EDV. Schon in der allerersten Ausgabe des VgT-Heftes bemühte er sich um Vernetzung der Tierschutzszene, damit diese noch effektiver gegen Tierquälerei vorgehen kann (siehe Abbildung).
Viele seiner Initiativen werden ihn nun überleben. Kaum ein anderer prägte den Tierschutz in der Schweiz wie Erwin.
Seit über drei Jahrzehnten haben sich unsere Wege immer wieder gekreuzt. Vieles hat sich seit den 80er Jahren, als ich ihn zum ersten Mal traf, verändert. Doch er blieb sich bis zum Schluss treu: Kompromisslos ehrlich und direkt für die Tiere – auch wenn er damit bei vielen Menschen aneckte. Die Tiere waren ihm wichtiger, als das gute Ansehen seiner Person.
Vielen Dank Erwin für deinen unermüdlichen Einsatz für die Schwächsten der Gesellschaft.
Renato Pichler
Vor einigen Jahren sagte er von sich in einem Interview:
«Klartext, oft undiplomatisch und politisch unkorrekt, ist mein Markenzeichen. Aber ich provoziere nie zum Selbstzweck, sondern um Menschen aufzurütteln und ihnen die Augen für ein grosses Unrecht zu öffnen.»