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Fische: Das erstaunliche Leben unter Wasser

Der arme Fisch hat es nicht leicht mit uns Menschen. Vielleicht ist es weil sein Lebensraum und der unsrige grundverschieden sind, oder weil allein schon seine Art für uns so unnahbar ist. Schliesslich hat der Fisch weder Arme noch Beine noch eine Mimik oder Töne mit denen er sich verständigen könnte. Auch können wir ihn weder streicheln, noch mit ihm umhertollen. Durch die naturgegebene Distanz, fällt es uns bei Fischen besonders schwer sich in sie hineinzuversetzen und sie werden fälschlicherweise als unintelligent und gefühllos eingeschätzt. Unzählige Untersuchungen beweisen aber gerade das Gegenteil. Fische sind äusserst feinfühlige Geschöpfe mit einem ausgeprägten Sozialverhalten und einer verblüffenden Intelligenz.

Soziales Verhalten

  • Korallengrundeln haben eine strenge Rangordnung, wenn es um die Fortpflanzung geht. Je kleiner der Fisch, umso später kommt er zum Zuge. Drängelt sich ein Tier vor, so wird es aus der Gemeinschaft ausgestossen. Um ständige Kämpfe zu vermeiden und die soziale Ordnung zu erhalten, akzeptieren die Grundeln diese Regelung. Die Erhaltung der sozialen Rangfolge ist den Tieren sogar so wichtig, dass sie genau auf ihre eigene Körpergrösse achten, um nicht plötzlich zu einer Gefahr für über ihnen stehende Tiere zu werden. Grundeln würden sich deshalb sogar einer selbstverordneten Diät unterwerfen, damit sie nicht zu gross werden.1
  • Guppys, die von ihrem Schwarm getrennt werden, sind auch nach mehreren Monaten noch in der Lage, ihre Kameraden wieder zu erkennen wenn sie auf Artgenossen treffen.2
  • Die männlichen Mexikokärpflinge können sich gegenseitig bei der Partnerwahl beeinflussen. Ist der Kärpfling allein, so interessiert er sich vor allem für die grossen und fruchtbareren Weibchen. Sobald aber ein männlicher Konkurrent auftaucht, entscheiden sich das erste Männchen für ein kleineres Weibchen, das ihm auf den ersten Blick nicht zugesagt hat und vermeidet somit Konkurrenzkämpfe.3
  • Für eine Untersuchung mussten Fische einem bestimmten Symbol folgen um den Weg aus einem Irrgarten zu finden. Bei richtigem Verhalten wurden sie dementsprechend von den Forschern mit Essen belohnt. Alle Fische lernten letztendlich, dass ein bestimmtes Symbol bedeutet, gefüttert zu werden. Die Forscher werteten dieses Verhalten als eine Art Lesen.4

Intelligenz

  • Haie sind äusserst gelehrige Fische. In bestimmten optischen Tests, lernen Haie sogar um ein mehrfaches schneller als Katzen.5
  • Regenbogenfische können lernen wie sie aus einem Netz entkommen und erinnern sich auch nach 11 Monaten noch an die damals angewendete Technik.6
  • Nicht nur im Film „Findet Nemo“ können Clownfische weite Distanzen überwinden. Auch in Wirklichkeit sind junge Clownfische, die mehrere Kilometer von ihrem Heimatriff entfernt ausgesetzt wurden, in der Lage den Weg nach Hause wieder zu finden.7

​Intelligenz

Ein 15-jähriger Schüler aus Australien zweifelte an der Theorie, dass Goldfische gerade mal ein Erinnerungsvermögen von 3 Sekunden haben und es deshalb nicht so schlimm sei, sie in kleinen Gläsern zu halten, da sie sich sowieso nicht daran erinnern könnten, wo sie vor 4 Sekunden herumgeschwommen seien. So untersuchte er selber, wie gut das Erinnerungsvermögen von Goldfischen ist. Er platzierte ein Signallicht im Aquarium, dann wartete er 30 Sekunden und streute das Futter für die Goldfische drum herum. Dies wiederholte er drei Wochen lang, um damit für die Fische eine Verbindung zwischen Lichtquelle und Futter zu knüpfen. Während dieser drei Wochen veränderte sich die Zeit, bis die Fische zu dem Licht schwammen, drastisch. Anfangs dauerte es noch einige Minuten, später dann nur noch 5 Sekunden. Danach entfernte der Junge das Signallicht aus dem Fütterungsprozess. 6 Tage später wiederholte er das Vorgehen mit dem Licht nochmals, und obwohl die Fische das Prozedere beinahe eine Woche lang nicht mitgemacht hatten, schwammen sie innert 4,4 Sekunden auf das Licht zu, in der Erwartung, gleich Futter zu bekommen.17

Spieltrieb 

Es gibt eine Menge Beobachtungen, die zeigen, dass Fische nicht nur den ganzen Tag auf instinktiver Nahrungssuche sind, sondern durchaus auch Aktivitäten unternehmen, die ihnen einfach nur Spass zu machen scheinen:

  • Satte weisse Haie spielen manchmal mit Gegenständen die von Booten runterhängen.8
  • Fische springen über schwebende Objekte (z. B. Schildkröten).9
  • Elefanten-Rüsselfische wurden beobachtet wie sie unter anderem Schnecken auf ihrer Nase balancierten.10
  • Doktorfische tauchen auf um Luft zu holen, tauchen dann unter Wasser, blasen die Luft aus und steigen den Blasen nach.11
  • An einigen Tauchplätzen lassen sich Fische von Tauchern streicheln – es scheint ihnen einfach zu gefallen.
  • Putzstationen haben durchaus einen praktischen Nutzen. Die Putzerfische bekommen so ihre Nahrung und die „Kunden“ werden auf diese Weise von Parasiten befreit. Allerdings scheint den Fischen diese Reinigungsprozedur auch zu gefallen, denn einige Fische verändern ihre Farbe während dem putzen und reagieren so auf die veränderte Gefühlslage. So gibt es zum Beispiel Fische die nur zu ihren bevorzugten Putzern gehen – so wie Menschen nur einen bevorzugten Frisör besuchen. Es gibt teils auch lange Warteschlangen vor einzelnen Putzern.12

Gefühle / Emotionen

Fische haben ein Vielzahl von Möglichkeiten sich untereinander zu verständigen und einander ihre Motivationen und Empfindungen zu übermitteln:

  • Fische zeigen ihre Emotionen durch Kämme, Kehllappen, geöffnete Münder, erweiterte oder verengte Pupillen, Farbveränderungen oder durch die Körpersprache.13
  • Bei Hammerhaien identifizierte man neun verschiedene Körpersignale, mit Hilfe derer sie ihre Stimmungen an ihre Artgenossen mitteilen konnten.14
  • Spielt man Haifischen über einen längeren Zeitraum Musik vor, so fangen einige an sich rhythmisch im Takt der Musik zu bewegen und sich gegenseitig zu umkreisen. Einige zeigten auch ein typisches Paarungsverhalten, indem sich die Pärchen gegenseitig verfolgten und sich in die Schwanzflosse bissen. Übrigens kam auch ein Hummer jeden Tag aus seinem Versteck, wenn die Musik erklang und bewegte sich zu dem Lied.
  • Erfahrung und Beobachtungen können die Persönlichkeit von Regenbogenforellen verändern. Je öfter mutige Regenbogenforellen in Kämpfen verloren, desto scheuer wurden die Fische im nächsten Kampf mit Artgenossen. Das gleiche lässt sich aber auch umgekehrt beobachten. Je öfters die Fische im Kampf gewannen umso selbstsicherer wurden sie.15
  • Zackenbarsch und Muräne können miteinander kommunizieren und arbeiten manchmal zusammen, wenn es um die Futtersuche geht. Durch ein Kopfschütteln über einer Riffspalte, signalisiert der Barsch nämlich der Moräne, dass sich hier ein Leckerbissen befindet, der sich dort vom Barsch versteckt hatte.16

Stresssituationen

Immer mehr Untersuchungen weisen darauf hin, dass Fische sehr wohl ein Bewusstsein haben und zu Emotionen fähig sind:

  • Alle Wirbeltiere nehmen Schmerz über freie Nervenendigungen wahr – und davon haben Fische sehr viele.
  • Forellen reagieren mit erhöhter Herzfrequenz wenn Lippen mit übel riechender Substanz in Kontakt kommen. Sie schwimmen dann hin und her und reiben ihre Lippen am Boden oder Wänden vom Aquarium.

Durch Stress, den Fische zum Beispiel nach einem Fang erleben, verändert sich ihre Hormonbalance. Diese kehrt dann erst nach 48 Stunden auf das normale Niveau zurück (wenn sie getötet werden, bleiben die Hormone natürlich im Körper).

All diese Eigenschaften sind nur eine kleine Auswahl an Beispielen dafür, dass auch Fische durchaus dazu fähig sind Gefühle zu empfinden und Familiensinn zu pflegen. Das Mitgefühl zu diesen aussergewöhnlichen Lebewesen sollte eigentlich für jeden Anreiz genug sein, das Leben und die Heimat dieser stummen Wasserbewohner nicht weiter zu zerstören.

Bernadette Raschle

«Anatomisch, physiologisch und biologisch ist das Schmerzsystem eines Fisches praktisch dasselbe wie bei Vögeln und Säugetieren.»
Dr. Donald Bloom, der Tierschutzbeauftragte der britischen Regierung
 

  1. www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,490930,00.html
  2. www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,411327,00.html
  3. www.scinexx.de/wissen-aktuell-7559-2007-12-19.html
  4. www.chemieonline.de/bibliothek/details.php?id=2253
  5. Jonathan Balcombe, «Tierisch vergnügt», S. 71
  6. Jonathan Balcombe, «Tierisch vergnügt», S. 220
  7. www.welt.de/wissenschaft/article850831/.html
  8. Jonathan Balcombe, «Tierisch vergnügt», S. 223
  9. Jonathan Balcombe, «Tierisch vergnügt», S. 222
  10. Jonathan Balcombe, «Tierisch vergnügt», S. 223
  11. Jonathan Balcombe, «Tierisch vergnügt», S. 223
  12. Jonathan Balcombe, «Tierisch vergnügt», S. 165
  13. Jonathan Balcombe, «Tierisch vergnügt», S. 218
  14. Jonathan Balcombe, «Tierisch vergnügt», S. 72
  15. www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,450000,00.html
  16. www.welt.de/print-welt/article705262/Muraenen_verstehen_Barsche.html
  17. http://www.theage.com.au/articles/2008/02/18/1203190696599.html
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