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Löwin: «Little Tyke» is(s)t  vegetarisch

Als Vierjährige wog die ausgewachsene afrikanische Löwin 160 kg. Ihr Körper war 3,15 m lang und sie konnte 40 Meilen pro Stunde laufen. Ihr Schädel mit den kurzen aber starken Kiefern war für das Töten und Essen von Beutetieren bestens geeignet. Normalerweise fressen afrikanische Löwen Gnus, Zebras, Gazellen, Impalas und Giraffen. 
Und ausgerechnet diese besonders grosse, kerngesunde Katze wählte eine respektvollere Lebensweise, sie lebte rein vegetarisch.

Eine schlimme Geburt

Georges und Margaret Westbeau standen vor den engen Stahlgittern eines Käfigs und beobachteten nervös, was darin vor sich ging. Im Käfig befand sich ein bösartiges, rasendes Raubtier mit rasiermesserscharfen Klauen und blitzenden Fangzähnen, die es brüllend entblösste. Seine bernsteinfarbenen Augen mit dem leiderfüllten Blick sahen das Paar jedoch gar nicht, das kaum drei Schritte von dem Tier entfernt stand. 
In der Vergangenheit hatte diese Löwin ihre Jungen stets sofort nach der Geburt getötet. Vier Mal in den letzten sieben Jahren hatten ihre mächtigen Kiefer die neugeborenen Jungtiere zermalmt und diese heftig gegen die Gitter ihres Käfigs geschleudert, wo sie leblos liegenblieben. Handelte diese Löwin bewußt gegen den normalen Mutterinstinkt, den sie einst besass? Ihr Leben war nur noch ein trauriges Abziehbild ihres früheren Lebens in Freiheit. Der Natur entrissen und von denen, die sie gefangennahmen, gequält, fristete sie nun ihr freudloses Dasein in einem Käfig. Spürte sie vielleicht, daß sie ihren Welpen die Demütigung ersparen konnte, die sie selbst nur schwer ertrug, indem sie diese tötete?

Dann kam das neugeborene Jungtier plötzlich auf die besorgten Betrachter zugeflogen. Schnell packte Georges das Jungtier und zog es durch die Gitterstäbe, bevor seine Mutter es töten konnte. Der brutale Biß der Mutter hatte sein rechtes Vorderbein derart verstümmelt, daß es nur noch hilflos herabbaumelte. Angesichts einer solchen Wut war das einzige, was ein Mensch sagen konnte: Du armes kleines Ding. (Anm. d. Übs.: englisch «You poor little tyke.») 
Die Westbeaus nahmen die drei Pfund schwere «Little Tyke» in ihre abgelegene Valley-Ranch in der Nähe von Seattle, mit. Dort kam sie in Kontakt mit ihrer «Menagerie», anderen Tieren wie Pferden, Rindern und Küken. Neugierige Pfauen säumten das Dach, Kätzchen spähten durch einen Pfahlzaun, und zwei Terriers vollführten wahre Freudensprünge über diesen Neuzugang zu ihrem Tierhaushalt. «Little Tyke» wurde mit warmer Milch aus der Flasche großgezogen und langsam besserte sich ihr Zustand.

Geheimnisvolle Reaktion

Auf den Rat von Experten hin begannen die Westbeaus nach drei Monaten mit der Entwöhnung und Umstellung auf feste Nahrung. Ausser einer Lieblingspuppe nahmen sie ihr die meisten ihrer Gummi-Spielzeuge weg, um sie durch Knochen von frisch geschlachteten Rindern zu ersetzen. Dann trugen sie das kleine Jungtier zu den Knochen. Aber welche Überraschung, sie warf sie wild von sich! Experten versicherten ihnen mit deutlichen Aussagen, dass Löwen ohne Fleisch nicht leben könnten. In der Wildnis fressen Löwen nur Fleisch, elf Pfund pro Tag für ein ausgewachsenes weibliches Tier. Alarmiert über «Little Tykes» befremdendes Verhalten, wunderten sie sich, und fragten sich wie sie Fleisch in ihre Diät einführen könnten. 
Mittlerweile setzten sie die Fütterung des Babies mit Getreide fort, das mit Milch gemischt wurde. Ein guter Freund schlug vor, die Milch mit zunehmenden Portionen von Rindfleischblut zu mischen. Wenn man der Milch zehn Tropfen von Blut beimischte, wollte «Little Tyke» nichts damit zu tun haben. Sie mischten dann fünf Tropfen von Blut dazu, und verbargen die Flasche. Während sie an der Flasche, die nur Milch enthielt, sog, wechselten sie schnell die Flasche. Wieder verweigerte sie letztere. In ihrer letzten Verzweiflung fügten sie nur einen Tropfen von Blut zu einer vollen Flasche Milch hinzu, aber «Little Tyke» verweigerte auch diese Flasche, und sie starrten mit Verwunderung auf diese Szene. Ein anderer Freund schlug vor die eine Hand mit Milch zu benetzen und die andere mit Milch gemischt mit Hackfleisch. Das Kleine leckte bereitwillig die Hand mit der Milch, verweigerte aber die dargebotene andere, die mit Fleisch und Milch gemischt war. Ihre Not verspürend, wischte George seine Hände mit einem nahegelegenen Handtuch und nahm sie auf dem Arm. Sie fauchte in Furcht und verkroch sich kränkelnd, wegen des Fleischgeruches auf seiner Hand beruhigte sie sich erst, als man ihr eine frische Flasche Milch mit gewaschenen Händen reichte.

Eine Belohung von eintausend Dollar

Als sie neun Monate alt war und bereits fünfundsechzig Pfund wog, wurden «Little Tyke» die Schienen und Verbände von ihrem Bein endgültig entfernt. Langsam lernte sie, das geheilte Bein zu benutzen, und suchte die Gesellschaft der anderen Tiere. 
Da die Viehfarm nicht genug Einkommen brachte, betrieben die Westbeaus in der Stadt einen kleinen Laden. Dazu lagerten sie pflanzliche Lebensmittel im Kühlraum. Wenn sie dorthin gingen, kam «Little Tyke » mit ihnen, und damit wurde ihre vegetarische Löwin überall bekannt. Als sie vierjährig war, schrieben die Westbeaus in einer Anzeige eine Belohung von eintausend Dollar für einen Vorschlag aus, mit der man die Löwin dazu bewegen könne, Fleisch zu fressen. Zahlreiche Vorschläge kamen, doch «Little Tyke» verweigerte alles, was mit Fleisch zu tun hatte.

Die Antwort

Um das Problem mit der Ernährung der Löwin zu lösen, wandten sich die Betreuer dieses erstaunlichen Tieres weiterhin an Experten. Schliesslich gelang es einem jungen Besucher, ihre Besorgnis zu zerstreuen. Ernst blickte er sie an und fragte: "Lesen Sie denn nicht die Bibel? Lesen Sie doch einmal Genesis 1:30, dort werden Sie die Antwort finden." George las die Verse alsbald. Zu seinem Erstaunen stand dort: "Und jedem Tier der Erde, und jedem Geflügel in der Luft, und allem was auf der Erde kriecht, und wo es Leben gibt, habe Ich jedes grüne Kraut als Nahrung gegeben, und so war es." Von da an waren die Westbeaus beruhigt.

Little Tyke mit Becky

«Little Tykes» Mahlzeiten

Ein typisches Essen bestand aus verschiedenen Getreidesorten, ausgewählt aufgrund ihres Gehalts an Eiweiss, Kalzium, Fett und Faserstoffen. Margaret kochte meistens für einige Tage auf Vorrat. Zur Zeit der Fütterung erhielt «Little Tyke» eine köstliche Mahlzeit bestehend aus zwei Handvoll gekochtem Getreide, zwei Litern Milch und zwei Eiern. Beim Essen stellte sie nur eine Bedingung: Ihre Lieblings-Gummi-Puppe musste neben ihr sein.

Da sie Knochen vom Tier verweigerte, gaben ihr die Westbeaus zur Stärkung der Zähne und des Zahnfleisches Gummistiefel. Sie machten ihr die Stiefel "schmackhaft", indem sie diese mit Parfüm besprühten. Ein Stiefel hielt etwa einen Monat. «Little Tyke» hatte viele enge tierische Freunde. Ihre Lieblinge waren Pinky (ein Kätzchen), Kobold (ein anderes Kätzchen), Becky (ein Lamm) und Baby (ein Rehkitz). Ihr Liebling und bester Freund jedoch, war Becky, die «Little Tykes» Gesellschaft dem jedem anderen der Tiere vorzog.

Nationale Berühmtheit

Die populäre TV-Show "You asked for it" bearbeitet von Art Baker, zeigte «Little Tyke» auf den Bildschirmen. Die Produzenten wollten eine Szene mit Küken, was für George kein Problem war, da «Little Tyke» sich auf der Hidden Valley Farm gut mit diesen verstand. Als die Film-Crew die Tierchen brachte, waren es vier Tage alte Küken!

Die Küken

«Little Tyke's» einzige frühere Erfahrung mit kleinen Küken waren die Hühner, die auf der Farm mit ihren Kücken auf dem Rasen herumliefen. Georges dachte nicht weiter darüber nach, bis er sah, wie «Little Tyke» sich merkwürdig verhielt und schuldbewusst mit geöffneten Kiefern und geschlossenen Lippen herumschlich. Er rief: "Tyke, was hast du im Maul?" Sofort öffnete die Löwin ihr Maul und ein kleines Kücken flog unverletzt heraus. Es flatterte mit seinen kleinen Flügelchen und wollte zum Entsetzen der Mutterhenne gleich wieder zurück ins Maul! «Little Tyke» leckte das kleine Küken sanft mit ihrer grossen Zunge ab. Das Küken hüpfte ihr erneut ins Maul und wurde dann zärtlich von der Löwin gekuschelt. 
Während die erstaunte Crew diese Szene filmte, schlenderte «Little Tyke» hinüber zu den Küken und leckte nach längerem Zögern auch die anderen vorsichtig und sanft mit der äussersten Spitze ihrer Zunge ab. Dann verschwand sie mit einem Gähnen. Kurz darnach kam sie zurück und legte sich mitten unter sie. Die Kücken schlüpften dann unter die langen, seidigen Haare des grossen Halses ihrer starken Beschützerin. 
Eine andere Szene zeigte wie ein junges Kätzchen, das nach einigem Beschnuppern über die gewaltigen Vorderpfoten der grossen Katze lief und sich dann dort niederließ. «Little Tyke» rückte mit einer Pfote näher an das winzige Kätzchen, um es besser hätscheln zu können. Vor den Kameras öffnete Art Baker eine Bibel und las: "Dann wohnt der Wolf beim Lamm ... Der Löwe frisst Heu wie das Rind." 
Die eingehende Post überflutete die Filmhersteller, und das Ereignis wurde eines der populärsten in der Geschichte dieser Show.

«Little Tyke's» Tod

Während dreiwöchigen Fernseh-Aufnahmen in Hollywood wurde «Little Tyke» mit einem Virus befallen und sie starb an einer Lungenentzündung. Die plötzliche Klimaveränderung könnte dafür mitverantwortlich gewesen sein. Sie entschlief, nachdem sie sich zuvor vor dem Fernseher zusehends erholt hatte.

Inspirationen zu diesem Thema

Ihr Leben ist vorüber, doch was sie uns gelehrt hat, lebt weiter. Eine der vielen Lektionen, die sie uns lehrte, ist dass Liebe Furcht und Wildheit vertreibt. «Little Tyke» strahlte die Liebe und Anteilnahme, die ihr nach den ersten Augenblicken ihrer dramatischen Geburt zuteilt wurde, zurück. Tausende sahen die Fotos von ihr und ihrer Freundin Becky, dem Lamm und waren begeistert, da sie darin ein Zeichen für eine bessere Welt sahen: Zwei so unterschiedliche Naturen, die sich an ihrer gegenseitigen Liebe erfreuen! Ein bekannter Rechtsanwalt hängte eine Vergrösserung des Fotos in seiner Kanzlei auf und wies darauf hin, wenn er Ehepaare beriet, die kurz vor der Scheidung standen.

Ein wissenschaftliches Rätsel

Die Wissenschaft steht bei «Little Tyke» vor einem Rätsel. Katzen sind reine Raubtiere. Ohne Fleisch können sie erblinden oder eine fortschreitende Kardiomyopathie (DCM) entwickeln, eine degenerative Krankheit, bei der die Herzmuskeln erschlaffen und immer schlechter Blut pumpen können. Dies geschieht, wenn die Ernährung des Tieres nicht genügend Taurin, eine Aminosäure, enthält. Seit den 50er Jahren weiss man aufgrund von Untersuchungen an der University of California (Davis, 1976), dass Taurin ein wesentlicher Nährstoff für Katzen ist. Ein Mangel an Taurin führt zu einer Degeneration der Netzhaut. Spätere Forschungsergebnisse bestätigten, dass eine unzulängliche Taurinzufuhr zu degenerativer Kardiomyopathie (DCM) führt. Katzen mit DCM, denen Taurin verabreicht wird, erholen sich auf nahezu wundersame Weise, wenn die Krankheit nicht allzu weit forgeschritten ist. Früher überlebten Katzen die Diagnose höchstens um einige Tage oder Wochen.

Taurin ist in der Natur ausschließlich in tierischen Quellen vorhanden. Milch und Eier enthalten minimale Mengen davon. «Little Tyke» hätte ihren Taurinbedarf mit Milch oder Eiern decken können, wenn sie 1900 Liter Milch am Tag getrunken oder mehr als 4000 Eier pro Tag verzehrt hätte. Die grosse Frage ist somit: Wie und woher erhielt «Little Tyke» ihr Taurin?

Die Herausforderung

Vielleicht noch wichtiger ist die Frage: Warum verleugnete, «Little Tyke» ihre arteigenen Instinkte? Für die Öffentlichkeit ist «Little Tyke» eine Kuriosität, für Zoologen eine Ausnahmeerscheinung, für Wissenschaftler eine Abnormalität und für Idealisten eine Inspiration.

Nachahmer

«Little Tyke» war aber nicht allein. Eine Fotografie aus Allahabad, Indien zeigt eine weitere geistig inspirierte Löwin. 
In seiner 'Autobiographie eines Yogis' schrieb Paramahansa Yogananda: 
«Unsere Gruppe verliess die friedvolle Behausung, um einen Nachbarn, den Swami Krishnananda zu begrüssen. Er war ein gutaussehender Mönch mit rosigen Wangen und mächtigen Schultern. Eine zahme Löwin begleitete ihn. Beeindruckt durch den Geist des Mönches, (wir wussten nicht ob dies vielleicht an seinem mächtigen Körperbau lag) lehnte das Dschungelraubtier jede Art von Fleisch ab und bevorzugte Reis und Milch.» 
Der Swami lehrte das Tier, ihr Wohlgefallen mit einem tiefen Grunzen «Aum» auszudrücken – eine Katzen-Ehre! 

  • Dieser Artikel stammt aus dem englischen Buch: "Vegetarian Cats & Dogs" von James A. Peden. 
  • Übersetzt aus dem Englischen von Arthur Müller und Eva Stabenow. Ausserdem gibt es ein weiteres Buch ausschliesslich über Little Tyke: "Little Tyke" von Georges Westbeau. 
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