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Durch Fleischproduktion: Infektionen werden tödlich!

Vor der Entwicklung von Antibiotika endete eine schwere bakterielle Infektion oft tödlich. Dank Antibiotika kann man heute bakterielle Infektionen einfach medizinisch behandeln. Doch dies könnte sich bald wieder ändern:  Durch den hohen Einsatz in der Massentierhaltung werden immer mehr Bakterien immun gegen alle verfügbaren Antibioka.


Die WHO warnt

Antibiotika verlieren immer mehr ihre Wirksamkeit. Dieses ernsthafte Problem ist zwar vielen Medizinern längst bekannt, doch nun hat auch die Weltgesundheitsorganisation der UNO (WHO) Alarm geschlagen: Wir könnten in das Zeitalter vor den Antibiotika zurückfallen. Damit wären viele Krankheiten nicht mehr heilbar. Die Mediziner müssten vor einfachen Infektionskrankheiten kapitulieren und könnten die Patienten nur noch in den Tod begleiten.

Die WHO hat erstmals einen umfassenden Bericht zur Lage der Antibiotika­resistenzen in 114 Staaten erstellt.1 Das Ergebnis ist erschütternd: Es handelt sich beim Problem der Antibiotikaresistenz nicht um eines, das erst in Zukunft aktuell wird – wir stecken schon heute mitten drin! In den vergangenen 30 Jahren wurde kein einziger neuer Antibiotikatyp entwickelt2 und alle alten werden zunehmend wirkungsloser.

Panikmache?

Dies hört sich an wie in einem Endzeitfilm im Kino. Leider ist es jedoch eine Realität, die noch immer ignoriert wird: In der EU sterben gemäss WHO jährlich rund 25000 Personen, weil die eingesetzten Antibiotika nicht mehr wirken. Immer mehr Bakterien werden gegen immer mehr Antibiotika immun. Selbst die «Reserveantibiotika», die erst zum Einsatz kommen, wenn alle andern nicht mehr helfen, sind immer öfters unwirksam.

Woher?

Woher kommen diese neuen resistenten Bakterienstämme? Der grösste Teil stammt aus Tierfabriken. In der Fleischproduktion werden heute sehr häufig Antibiotika gebraucht, um die Tiere in der kurzen Zeit bis zum Schlachttermin «gesund» zu erhalten. Eine «artgerechte» Haltung der Tiere ist in der heute nötigen Masse nicht mehr möglich. Wenn jedoch Antibiotika massenweise eingesetzt werden, heisst dies, dass sich die Bakterien daran «gewöhnen» können, genauer: Die einzelnen Bakterien, die immun gegen das Antibio­tika sind, können sich stark vermehren und so verbreiten.

Aus der Humanmedizin weiss man, dass eine Antibiotikabehandlung unbedingt bis zum Schluss durchgezogen werden muss. Hört man damit auf, wenn noch nicht alle Krankheitserreger abgetötet wurden, kann dies zu resistenten Bakterien führen. Doch genau diese Situation ergibt sich beim Einsatz von Antibiotika in Tierfabriken, da dort nicht jedes Tier individuell behandelt werden kann. In der Schweiz werden rund 90 Prozent aller Kälber mit Antibiotika behandelt.3

Bauern setzen sich durch

Das Problem ist auch in der Schweiz nicht neu. Doch die Landwirtschaftslobby ist im Nationalrat so stark vertreten, dass es schwer ist, etwas dagegen zu tun. Die SVP- und CVP-Politiker schafften es sogar, die Einführung einer Antibiotikadatenbank zu verhindern.4 So ist es nach wie vor kaum möglich, den Antibiotikaverbrauch bei Landwirten und Tierärzten zu kontrollieren. Bei den über 57 Tonnen Antibiotika, die 2012 in der Schweizer Tierhaltung eingesetzt wurden, wäre jedoch gerade dies ein wichtiger Schritt, das Problem angehen zu können.

Gefahr im Fleisch

Im April 2014 haben die «Grünen» des Deutschen Bundestages eine Untersuchung in Auftrag gegeben.5 Von den untersuchten 63 Wurst- und Schinkenprodukten enthielten zehn multiresistente Keime (= 16%). Da diese Produkte für den direkten Verzehr bestimmt waren, stellten sie eine direkte Gefahr für den Konsumenten dar. Bei den Mettwurstprodukten waren sogar 22 Prozent mit diesen Bakterienstämmen kontaminiert. In der Untersuchung von 2012 waren es erst 16 Prozent.

Die Gefahr wird also von Jahr zu Jahr grösser. Dennoch hat niemand der Verantwortlichen den Mut, die Ursache anzugehen: der massenhafte Konsum tierischer Produkte, die nur unter hohem Einsatz von Antibiotika produziert werden können.

Renato Pichler

  1. Antimicrobial resistance: global report on surveillance 2014, April 2014, 257 Seiten, ISBN 978-924156474-8, www.who.int/drugresistance/documents/surveillancereport/en/
  2. Der letzte neue Typ stammt von 1980.
  3. Antibiotika für Tiere im Stress, saldo 6/2004 vom 31. März 2004, www.ktipp.ch/artikel/d/antibiotika-fuer-tiere-im-stress/
  4. Abstimmung vom 7. Mai 2014 im Nationalrat
  5. Analyse ESBL-bildende Keime auf Wurstprodukten, 19.5.2014.
     
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