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«Ein Gemüseteller ist einfach nicht mehr zeitgemäss»

Rolf Caviezel gehört zu den derzeit gefragtesten Starköchen der Schweiz. Mit seinen Kreationen aus der Molekularküche hat er sich einen Namen gemacht und spätestens seit seinem Kochbuch «Meine Veggie Küche» ist er Vegetariern ein Begriff. Für Swissveg hat sich der vielbeschäftigte Koch Zeit für ein Gespräch genommen.


Mit Freestyle Cooking, als Koch im Hotel-Restaurant Giessbach, Kochbuchautor und Ausbilder bist du bei einigen Projekten engagiert. Welches liegt dir besonders am Herzen?

Ganz klar mein Engagement im Grandhotel Giessbach. Jedes Jahr hat dort ein anderer Koch für fünf Monate die Möglichkeit, seine Küche den Gästen näher zu bringen. Zum ersten Mal bekam ich in diesem Jahr die Gelegenheit, in einem Gourmetlokal komplett vegetarisch/vegan zu kochen. Anfangs hatten wir Bedenken, wie das bei den Gästen ankommen wird, denn eine Auswahlmöglichkeit für ein Menü mit Fleisch gab es nicht. Es war eine Gratwanderung, komplett auf Fleisch zu verzichten, doch es hat sich gelohnt. Wir bekamen durchwegs nur positive Resonanz, und die Betreiber selber waren verblüfft, wie gut das vegane Angebot angekommen ist.

Rolf Caviezel

Du selber lebst nicht vegetarisch. Wie kamst du zur veganen Küche?

Ich bin das, was man einen Flexitarier nennt. Mir ist es beim Fleisch wichtig, woher es kommt, aber genauso auch beim Gemüse. Mein Restaurant, die «Station 1», ist des­halb «ProSpecieRara»-zertifiziert. Wir bauen das verwendete Gemüse selbst an, so wissen wir, wann es Saison hat und woher es kommt. Im Betrieb bieten wir täglich ein Menü mit Fleisch und ein vegetarisches an. Seit mehr als zwei Jahren gibt es am Mittwoch jeweils ein veganes Menü.

Was reizt dich an der pflanzlichen Küche?

Auf die vegane Küche bin ich dank meiner Leidenschaft für die Molekularküche gekommen. Dort wird sehr oft mit Gemüse hantiert, bei einem 12-Gänge-Menü sind 11 Gänge davon mit Gemüse. Wenn bei einem Gang zum Beispiel die Karotte das Thema ist, dann versuche ich, diese auf verschiedenste Weise und in verschiedensten Konsistenzen auf den Teller zu bringen. Es macht mir einfach Spass, mit Lebensmitteln zu arbeiten und diese zu verändern.

Bemerkst du in der Öffentlichkeit eine veränderte Wahrnehmung  der veganen Küche?

Es ist eindeutig, dass der vegane Markt wächst. Auch wenn man die Regale bei den Grossverteilern betrachtet, wird klar, dass da ein Bedarf für vegane Produkte vorhanden ist. Wie die Molekularküche war auch die vegane Küche anfangs eine Nische, mittlerweile springen immer mehr auf den Zug auf. Mein persönliches Anliegen ist es dabei, dass die Gastronomen keine lieblosen fleischähnlichen Produkte auf den Teller bringen, Veganer müssen doch nicht Wurst essen, die keine Wurst ist. Die vegane Küche bietet für Gastronomen ein Riesenpotenzial, mit verschiedenen Farben, Formen und Konsistenzen zu spielen, sodass es gar nicht nötig ist, Fleisch zu imitieren. Wer sich auf die vegane Küche einlässt, für den gehen ganz neue Dimensionen auf!

Wie sieht es eigentlich mit der vegetarischen und veganen Küche in der Kochausbildung aus? Ist die dort ein Thema?

Da ist ein riesiges Defizit! Die Köche erfahren in ihrer Grundausbildung nur sehr wenig über die fleischfreie Küche. Aus diesem Grund bieten wir an der Ostschweizer Gastronomiefachschule in St. Gallen einen 3-Tages-Kurs für Köche an. Dort erfahren sie, was es alles für vegetarische und vegane Möglichkeiten gibt. Ein Gemüseteller ist heute einfach nicht mehr zeitgemäss, und als Gastronom sollte man durchaus in der Lage sein, seinen Gästen etwas Besonderes Vegetarisches anbieten zu können.

Wer es mit der veganen Küche genau nimmt, hat etwas mehr Aufwand. Zum Beispiel sollte man wirklich darauf achten, bei der Zubereitung nicht dieselben Geräte für das vegetarische und vegane Gericht zu verwenden. Einfacher macht man es sich deshalb, wenn man grundsätzlich ein Gericht als 100% vegan auf der Menükarte aufführt und in Klammern für die, die wollen, Vegetarisches anbietet. Das vereinfacht die Zubereitung auch für Allergiker, beispielsweise laktoseintolerante Gäste. Man sollte es sich in der Küche sowieso nicht zu kompliziert machen, beispielsweise benötigt man auch keine laktosefreie Milch oder Sojaprodukte. Regionaler und gesünder sind Sahne aus Hafer oder anstelle von Tofu Produkte aus Lupine oder aus selbstgemachtem Seitan mit Mehl aus der Region.

Wer vegan lebt, sollte keine halben Sachen machen, sondern den Gedanken seriös und konsequent durchziehen. Anstatt Firmen zu unterstützen, die mit Veganern einfach nur Profit machen wollen, lohnt es sich, manchmal auch gewisse Produkte, zum Beispiel Schokolade, selber herzustellen. Da gibt es keine Probleme mit möglichen Spuren von tierischen Produkten, die man als Veganer ja vermeiden will.

Werden deine Freunde privat auch vegan bekocht?

Auf jeden Fall! Und die sind immer ganz erstaunt, weil es einfach einmal eine andere Art zu kochen ist. Zum Beispiel mache ich Kohlenstaub aus schwarzen Oliven und gebe den über die Tomaten. Ich achte auch darauf, dass die Mahlzeiten ausgewogen sind. Vegane Gerichte haben die Tendenz, zu süss und zu fettig zu sein. Zum normalen Couscous gebe ich deshalb Spinatsaft dazu, das gibt einerseits eine tolle Farbe und sorgt andererseits dafür, dass es überhaupt nicht trocken schmeckt. Die kreative Zubereitung ist es, mit der man die Leute für veganes Essen fangen kann.

Bernadette Raschle

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