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«Jede Krise kann eine Chance sein! …»

Am 21. Mai 2008 wurde Felix Hnat mit neun anderen Personen in einer mehr als zweifelhaften Aktion verhaftet und anschliessend, ohne jede detaillierte Anklage, bis zum 2. September inhaftiert. In Österreich selbst (sogar die Angehörigen der österreichischen Botschaften in vielen Ländern zeigten sich verlegen!) und in vielen Teilen der Welt wuchs die Empörung über diesen Rechtsskandal, die sich keineswegs nach der Befreiung der zehn Aktivisten gelegt hat. 

Viele Menschen haben den Schock immer noch nicht verdaut, dass ausgerechnet in Österreich Nacht-und-Nebel-Aktionen stattfinden konnten, bei denen, genau wie in schlechten alten Tagen, man Türen eintrat, Leute aus den Betten scheuchte und mit Waffen bedrohte. Wie hat sich Deine Festnahme abgespielt?

Am 21.5.08 wache ich um 6 Uhr auf. Ich höre Schreie: «Polizei, sofort aufmachen!» Ich weiss nicht, was passiert ist, und denke, es könne sich um ein Missverständnis oder einen Vorfall in der Nachbarschaft handeln. Ich gehe, noch immer nicht ganz wach, zur Tür und frage nach, was los ist. «Polizei, sofort aufmachen!» Ich sage «ja» und gehe mit dem Schlüssel auf die Tür zu. Plötzlich klatscht es und mir fliegen Glasscheiben und eine halbe Tür entgegen. Vermummte, bewaffnete WEGA-Beamte stürmen rein. Ich bin völlig überrumpelt und verblüfft. Kurz danach wird mir mitgeteilt, dass ich verhaftet bin. So langsam werde ich wach …

Hattest Du mit einem derart brutalen Vorgehen des österreichischen Rechtssystems rechnen können?

Ich kenne solche Szenen aus Action-Filmen. Bis jetzt dachte ich, so etwas trifft nur gefährliche, bewaffnete Gewalttäter/-innen. Aber in den letzten Monaten ist mein Vertrauen in die Justiz verloren gegangen.

Viele Touristen, die Österreich liebten und regelmässig besuchten, werden nun nicht mehr kommen, weil ihnen die Rechtsunsicherheit zu gross geworden ist. Möchtest Du die Situation kommentieren?

Ich kann das verstehen! Allerdings gibt es auch in anderen Ländern erschreckende Zustände. Menschenrechte werden weltweit kaum geachtet. Wer Macht hat, nutzt sie; wer Geld hat, hat Einfluss. Selbst gegen Tierrechtler/-innen gibt es unverhältnismässige Repression. In den USA sitzen sechs Aktivisten/-innen drei bis sieben Jahre wegen des Betreibens einer Website (www.shac7. com). In England, den USA und anderen europäischen Ländern werden immer mehr Anti-Tierrechtsaktivismus-Gesetze beschlossen.

Wie war Dein Leben im Gefängnis? Zu wem von Deinen Leidensgenossen hattest Du persönlichen Kontakt? Wie verhielten sich die Mithäftlinge Euch gegenüber? Bekamst Du ordentliche Verpflegung? Kam viel Post?

Kontakt zu den anderen neun hatte ich absolut keinen. Manchmal sah ich Elmar, der auch in Eisenstadt war, am Gang vorbeigehen: «Komplizentrennung». Von meinem Anwalt erfuhr ich immer wieder, wie es den anderen ging. Zum Beispiel habe ich mich oft nach Martins Gesundheit erkundigt. Ich habe nur gute Erfahrungen mit Mithäftlingen gemacht; es gab keinerlei Probleme. Viele von ihnen hatten schon schlechte Erfahrungen mit der Justiz gemacht. Die meisten wussten, wer ich bin und warum ich im Gefängnis war. Sie fragten immer wieder, was es Neues gäbe. Mit der Verpflegung war ich sehr zufrieden. Sie wurde über die Zeit immer besser. Nur B12-Brausetabletten nahm ich zusätzlich. Ich bekam jeden Tag die vegane Version des normalen Essens und Obst, manchmal sogar Sojafleisch. Meine Zellgenossen beneideten mich teilweise sogar. Allerdings war das in Eisenstadt ein Glücksfall. Andere der «Austrian 10» hatten nicht so viel Glück. 
Ich bekam unheimlich viel Post, selbst aus Ländern wie Singapur, Japan oder von Personen des öffentlichen Lebens wie Peter Singer, Ingrid Newkirk … die Solidarität ist enorm. Ich bin echt positiv bewegt durch dieses Ausmass. Noch mehr baute mich nur die Tatsache auf, dass wir (die TR- und Veg-Szene) uns nicht entmutigen liessen und aktiver sind als je zuvor.

Konntest Du, wenn natürlich auch nur in sehr beschränktem Umfang, weiterarbeiten für die Vegane Gesellschaft?

Ehrlich gesagt, nein. Durch die Kommunikationsprobleme nach aussen und wegen der Isolation von der Aussenwelt war es mir nicht möglich, etwas Konstruktives beizutragen. Ich hatte gar nicht den Input, um Entscheidungen treffen zu können. 
Die Arbeit der VGÖ ist auch jetzt noch stark beeinträchtigt. Computer, Database, alle Akten, die Buchhaltung wurden «beschlagnahmt». Das hat viel gravierendere Auswirkungen als meine Abwesenheit. 
Das Schöne ist, dass auch während meiner Abwesenheit die Arbeit trotzdem so gut wie irgend möglich weiterging und auch sogar meine Aufgaben erfüllt wurden. Die anderen Vorstandsmitglieder sowie neue und alte Aktivisten/-innen sprangen in die Bresche und opferten sich auf. Mich beruhigt es sehr, dass so fähige, intelligente und motivierte Menschen sich so stark eingesetzt haben.

Es wurde uns berichtet, dass Ihr informiert wurdet über die wachsende Anteilnahme in so vielen Ländern. In dem Ausmass, in dem die Verwunderung (vorsichtig ausgedrückt) über das österreichische Rechtssystem wuchs, nahm auch die Bewunderung für Euch ZEHN zu. Viele Menschen betrachten Euch heute schon als Helden! Habt Ihr das auch gewusst?

Es ist erstaunlich. Ich bekomme tatsächlich Briefe, in denen Leute schreiben, dass wir Helden sind für sie. Manche sehen uns auch als Märtyrer. Es stimmt tatsächlich, dass wir eine ganz neue Situation, eine vorher unvorstellbare Dimension von Anti-TR-Repression, in Österreich erreicht haben. Wir befinden uns tatsächlich in einer historischen Lage und der Ausgang dieser «Affäre» wird massgeblich für die Wahrung von grundlegenden Rechten und eine funktionierende Zivilgesellschaft der Zukunft sein. 
Trotzdem bin ich absolut kein Held. Ich habe nichts anderes gemacht als Hunderttausende auf der Welt. Sie alle opfern ihre Zeit und Energie, um die Welt zu verbessern, sind in Veg- oder TR-Gruppen online, wollen das Tier-Mensch-Verhältnis hinterfragen oder etwas Konstruktives aufbauen. Wenn ich ein Held sein sollte, sind es alle anderen auch, die sich als Teil dieser Bewegung sehen. Der Unterschied ist nur, dass ich Opfer von Polizeiwillkür wurde. Und dabei bin ich auch nur einer von vielen.

Durch die schockierende Rechtsschieflage sind alle betroffenen Organisationen, einschl. der Veganen Gesellschaft Österreich und auch des VGT, international bekannt, wenn nicht sogar berühmt geworden. Man hört Euch zu. Ihr habt nun sehr grossen Einfluss. Was möchtest Du all denen sagen, die an Eurem Schicksal so deutlich Anteil nehmen?

Ich denke, es ist wichtig zu betonen, dass dieser Fall in Österreich kein isolierter Einzelfall ist (obwohl hier sicher auch einige unglückliche Faktoren verkettet wurden). Es ist vielmehr ein internationaler Trend, der schon in England oder in den USA viel weiter fortgeschritten ist. Auch bei uns oder in anderen Ländern entwickelt sich alles in diese Richtung. Schon bald wird es auch ausserhalb der USA Gesetze wie den «Animal Enterprise Protection Act» geben, unter dem eigentlich legale Aktivitäten wie Demos oder das Verteilen von Flyern mit Gefängnis bedroht werden, sobald eine Tierausbeutungsfirma finanzielle Einbussen erleidet. Das Kraftübergewicht verschiebt sich immer mehr in Richtung Wirtschaft im Gegensatz zum NGO-Sektor. In einem noch grösseren Rahmen wird weltweit unter dem Vorwand «Kampf gegen Terror» versucht, Grundrechte und politische Aktivitäten einzuschränken. Die Wirtschaft versucht ja generell, sich über die Politik gewisser Probleme zu entledigen, wie z.B. lästige Tierschützer/-innen. So wie halt Kriege um Öl oder strategisch politischen Einfluss geführt werden.

Über den Internationalen Vegetarierkongress in Dresden, bei dem Euer Schicksal eines der wichtigsten Themen war, wurde in den Medien sehr positiv berichtet. Sogar Journalisten, die mit Vorliebe den Vegetarismus lächerlich machten, schrieben respektvolle Artikel über den Kongress und unsere Lebensweise. Meinst Du, dass die Öffentlichkeit nach all den Gesundheitsproblemen wegen Fleisch, Tierseuchen, Klimawandel und Aufdeckungen von Grausamkeiten vegetarierfreundlicher geworden ist?

Ich denke, wir befinden uns vor einem Paradigmenwechsel, der schon immer grössere Teile der Gesellschaft erfasst hat. Tierrechte und Vegetarismus/Veganismus werden gesellschaftsfähiger. Wir alle, die sich für diese Ziele einsetzen, sehen in immer mehr Berichten der Politik, Wissenschaft, Medien, dass sich etwas ändert. Der Weltkongress war voll im Trend. Deshalb bin ich optimistisch.

Wie ist die Situation in Österreich? Wie viele Vegetarier/Veganer gibt es momentan in Deinem Land? Ist die Versorgung mit vegetarischen/veganen Lebensmitteln ausreichend? Ist das Europäische V-Label schon gut eingeführt?

Österreich ist ein sehr Vegetarier/ Veganer-freundliches Land. Laut EU-Eurobarometer 2003 gibt es 3% Vegetarier/-innen. Die Versorgung mit vegetarischen/veganen Lebensmitteln wird immer besser. Die Auswahl der Produkte wird immer grösser, die Preise immer kleiner. Es gibt einige mit dem V-Label gekennzeichnete Produkte, z.B. bei Supermarkt Merkur. Allerdings müssten es mehr sein. Die weitere Verbreitung der Kennzeichnung von vegetarischen/veganen Produkten halte ich für zukunftsweisend und will mich deshalb in Zukunft weiterhin dafür einsetzen.

Der Wunsch, Euch zu helfen, ist enorm. Hat diese aussergewöhnliche internationale Solidarität Euch geholfen, den Alltag während der schrecklichen letzten Monate etwas leichter zu ertragen?

Die Solidarität, die Anteilnahme und das öffentliche Interesse können sehr aufbauend sein. Auch die vegane Verpflegung ist durch Hilfe von Gruppen von aussen besser geworden. Wir bekamen sogar Zeitungen etc. hineingeschickt. Am wichtigsten war für mich allerdings, dass die Arbeit weitergeführt wurde. Es ist unvorstellbar, dass wir alle die Motivation verlieren oder uns einschüchtern lassen. Einfach weiter so! Ich denke sogar, dass wir alle mehr geschlossen und entschlossen als je zuvor sein werden. Und vielleicht kann die Öffentlichkeit sogar sensibilisiert werden, sich gegen Repressionen der Zivilgesellschaft zu wehren.

Noch eine letzte Frage: Euer Schicksal beweist leider, dass staatliche Willkür nicht ein Problem der Vergangenheit ist, sondern dass jeder morgen ein Opfer davon werden kann. Was empfiehlst Du denjenigen, die sich, wie Ihr, einer lang andauernden Inhaftierung ohne jeden klaren Anklagegrund ausgeliefert finden?

Ich glaube, jede/r sollte wissen, dass die Polizei und Justiz im Interesse der Wirtschaft handeln. Tierschutzgesetze hingegen werden nicht/ kaum exekutiert. In unserem Prozess hat die Polizei absichtlich Aussagen verzerrt/entstellt und sinnentfremdet. Übersetzungen wurden falsch gemacht. Leute, die individuell von einem ähnlichen Schicksal betroffen sind, sollten nicht mit der Polizei kooperieren, sondern nur mit dem Anwalt reden, um Machtmissbrauch zu verhindern. Lasst Euch nicht entmutigen. In der Zelle hilft es, mit anderen zu reden, Sport zu machen und zu lesen. Es kann sehr hart sein, von seinen Lieben getrennt zu sein, aber Liebe und Solidarität sind stärker als Mauern. Jede Krise kann eine Chance sein!

Felix, wir wünschen Dir und den anderen, dass Ihr nach diesem Albtraum schnell wieder in eine neue Normalität zurückfindet und Eure Arbeit wieder aufnehmen könnt. Als Beispiel für all die guten Wünsche zitieren wir eine E-Mail, die EVANA für Euch während Eurer Haftzeit erhielt: «Viele von uns wollen Euch sagen, dass wir Euch lieben, dass wir Euch respektieren, dass wir uns um Euch sorgen, dass wir jeden Tag an Euch denken und dass Ihr unsere zehn HELDEN seid.»

Danke! Euer Einsatz gibt mir Kraft. Ich bin motivierter als je zuvor! (auch wenn ich kein Held bin). ;-)

Herma Caelen

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