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Was steckt hinter der «Echt stark»-Kampagne von Swissmilk?

Swissveg geht den Argumenten der «Echt stark»-Kampagne von 2018 auf den Grund 

1.   SIND 2/3 DER LANDWIRTSCHAFTLICHEN FLÄCHE NUR ALS GRASLAND GEEIGNET?

  • Swissmilk behauptet: «So lebt Lovely in der Schweiz – 2/3 der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Schweiz gelten als Grasland und eignen sich besonders gut als Zuhause für Lovely.»

Der überwiegende Anteil der Schweizer Milch wird in Gebieten produziert, wo problemlos auch pflanzliche Nahrung angebaut werden könnte. Das heisst, wir verschwenden eine Fläche, die uns direkte Nahrungsmittel liefern könnte, damit, dass Kühe Futter erhalten. So viel Tiernahrung in der kleinen Schweiz zu generieren passiert auf dem Rücken des Gemüse- und Früchteanbaus: grosse Mengen müssen importiert werden, die aus Platzgründen nicht in der Schweiz produziert werden können. 

Die Kälber erhalten Milchaustauschstoffe, weil die reine Kuhmilch den Menschen vorbehalten bleibt.

Konsumenten verlieren auch ungern das idyllische Bild der Bergbauern, welche auf der Alp ihre Tiere hüten und beim Namen nennen. Die Erinnerung an Grossbetriebe und der Schlachtung der Kälber und Milchkühe weit vor Ende der natürlichen Lebensdauer – auch wenn eigentlich logisch richtig – geschieht ungern. 

2.  KOMMT SCHWEIZER MILCH AUS NACHHALTIGER LANDWIRTSCHAFT?

  • Swissmilk behauptet: «90% der Schweizer Bauernbetriebe bewirtschaften ihre Fläche nach dem ÖLN, dem Leistungsnachweis für eine umweltgerechte und nachhaltige Landwirtschaft.» 

Massentierhaltung und nachhaltige Landwirtschaft beissen sich – in jeder Hinsicht. Das ÖLN (ökologischer Leistungsnachweis), mit dem sich die Swissmilk selbst lobt, ist nicht ausreichend für einen effektiven Schutz der Umwelt. Der Bund subventioniert die Verschmutzung unserer Böden und des Gewässers. Die Landwirtschaft versprüht über 2000 Tonnen Pflanzenschutzmittel pro Jahr in der Schweiz. Die Wirksamkeit und damit auch Giftigkeit der Pestizide nimmt dabei laufend zu. Das Ziel des Bundes, den Einsatz der Pflanzenschutzmittel auf 1500 Tonnen zu reduzieren, wird seit vielen Jahren verfehlt und eine Besserung ist nicht in Sicht. 

Keine andere menschliche Tätigkeit beeinflusst die Biodiversität so stark wie die Landwirtschaft. Die heutige Nahrungsmittelproduktion hat innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem eigentlichen Zusammenbruch der Biodiversität in der Kulturlandschaft geführt. (Quelle: SRF: Artenvielfalt in der Schweiz: Forscher sind «äusserst besorgt»)

Milchkühe verursachen viel Treibhausgasemmissionen durch ihren hohen Methanausstoss, produzieren Gülle, die unsere Böden und das Grundwasser überfordern und schädigen und verbrauchen Ressourcen, die ohne den Umweg Tier direkt Menschen zu Gute kommen würden (z. B. Wasser, Ackerfläche). 

 

 

 

3. HAT LOVELY EIN GUTES LEBEN?

  • Swissmilk behauptet: Die umweltgerechte und nachhaltige Landwirtschaft «...beschert Lovely und ihren Freundinnen ein gutes Leben.»

Lovelys Leben sieht leider anders aus als in der Werbung:

  • Jedes Jahr wird Lovely (künstlich) besamt und während der Trächtigkeit bis wenige Wochen vor der nächsten Geburt weiter gemolken. Alle männlichen und die meisten der weiblichen Kälber werden für Kalbfleisch getötet, alleine in der Schweiz knapp 300’000 Tiere pro Jahr. (Quelle: Schweizer Bauernverbandes SBV)
  • Das Kalb wird Lovely kurz nach der Geburt weggenommen, in eine separate Kälberbox gebracht und später meist zu einem separaten Kälbermastbetrieb abtransportiert.
  • Lovely ist danach tagelang unruhig, muht und sucht nach ihrem Kälbchen, da die Bindung der Mutterkuh zu ihrem Kalb sehr stark ist.
  • Lovely gibt rund 7400 kg Milch pro Jahr (im Jahr 2000 waren es durchschnittlich noch 5700 kg). Dies führt zu vielen gesundheitlichen Problemen bei ihr (insbesondere schmerzhaften Euterentzündungen).
  • Vorbeugend erhält Lovely eine Antibiotikabehandlung der Zitzen.
  • Nach wenigen Jahren nimmt ihre Milchleistung so stark ab, dass sie aus wirtschaftlichen Gründen geschlachtet wird.

Ob Lovely wohl glücklich ist und ein gutes Leben hat? Wir bezweifeln es. 

4. WIE GEHT ES LOVELY'S BRÜDERN UND KINDER?

Swissmilk spricht ausdrücklich nur von Lovely und ihren «Freundinnen». Dass aber rund die Hälfte der geborenen Kälber männlich und entsprechend nicht zu Milchkühen werden, wird hier etwas unter den Tisch gekehrt. Was für ein Leben erwartet das männliche Kalb? Keines. Nachdem es direkt nach der Geburt von der Mutter getrennt wird, erlebt das Mastkalb nur die ersten 3-5 Monaten seines Lebens, anstatt bis zu 20 Jahren alt zu werden. 

5. IST FUTTERIMPORT AUS DEM AUSLAND NACHHALTIG?

  • Swissmilk behauptet: «Lovely frisst täglich ungefähr 80 kg einheimisches Wiesenfutter und 2 kg Kraftfutter. Dazu trinkt sie zwischen 50 l und 100 l Wasser.»

Lovely frisst im Jahr beinahe eine Tonne Kraftfutter. Weil die Schweiz zu klein ist, um das gesamte Futter hier anzubauen, muss zusätzliches Futter importiert werden. Auch Heu muss importiert werden: Schweizer Kühe frassen nur schon 2010 beinahe 100 Tonnen importiertes Heu aus Eritrea, Kirgistan, Kamerun oder Peru! Das Argument des Graslandes, das anderweitig nicht genutzt werden könnte, wird hier schnell fadenscheinig. «Die zunehmenden Heuimporte sind ganz klar die Folge des subventionierten Überbesatzes des Tierbestandes und des aus dem Ruder gelaufenen Milchmarktes», sagt Marcel Liner, Projektleiter Landwirtschaftspolitik bei Pro Natura. (Quelle: Aargauer Zeitung)

Die ökologischen Auswirkungen im Herkunftsland des importierten Heus sind gewaltig. Es ist irrsinnig, getrocknetes Gras quer durch die Welt zu transportieren, um dann Nutztiere im «Grasland Schweiz» zu füttern. 

6. IST ES FÜR IRGENDEINE SPEZIES ARTGERECHT, ZU MEHR ALS 50% EINGESPERRT ZU SEIN?

  • Swissmilk behauptet: «Von Mai bis Oktober geniesst Lovely immer mind. 26 Tage Auslauf pro Monat.»

Swissmilk suggeriert dem Leser, dass die Kuh auf der Wiese lebt – weit verfehlt. Schweizer Kühe müssen nur während Mai bis Oktober monatlich 26 Tage Zugang nach draussen haben. Das heisst, Lovely ist 50% ihres kurzen Lebens komplett eingesperrt. Ob sie den Freigang nach draussen, der ihr zusteht, denn auch auf einer saftigen Wiese verbringt, oder ob sie lediglich auf einem Vorplatz verweilen darf, bleibt offen. Der zu geringe Ausgang für Kühe ist ein bekanntes Problem der Kontrolleure. Diese gesetzlichen Mindestvorgaben können einfach unterschritten werden: Einerseits illegal (mangels effektiver Kontrollen und wirksamen Bussen), andererseits durch Ausnahmebewilligungen.

7. AUF WELCHE KOSTEN WIRD TIERFUTTER HERGESTELLT?

  • Swissmilk behauptet: «90 % des Futters für Lovely wird in der Schweiz hergestellt.»

Ja, der Löwenanteil des Futters ist einheimisch produziert. Dafür wird viel fruchtbares Ackerland verschwendet, worauf auch Gemüse und Getreide für den Direktverzehr angebaut werden könnte. Getreide für unser Brot müssen wir deshalb z.B. aus Kanada importieren. Es wird längst nicht nur Land als Weide benutzt, das nicht anders genutzt werden könnte. Dies würde fast nur für die Alpweiden gelten, die aber nur sehr kärglich wachsendes Gras haben und somit kaum etwas zur Nahrungsversorgung von Kühen beitragen. Aber selbst hier: Gehören Rinder auf den empfindlichen Boden der Alpen? 

Körpergewicht der Tiere:
Steinbock: 75 bis 120 kg
Gämse:30 bis 60 kg
Kuh:500 bis 800 kg
Stier:800 bis 1150 kg

Antibiotika und Vitamin B12

Antibiotika: Das Tierfutter hat nebst Gras, Heu, Kraftfutter & Co. noch weitere Bestandteile, die es nicht zu vernachlässigen gibt: Beinahe alle Schweizer Kälber werden mit Anti­biotika behandelt. (Quelle: Kälbermast­organisation Univo und Veg-Info 2004/2, Seite 4) Weil durch die Haltungsart von so vielen Tieren auf engem Raum die Ansteckungsgefahr mit verschiedensten Krankheitskeimen besonders hoch ist, ist der Antibiotika-Einsatz unumgänglich. 

2012 wurden in der Schweiz 57 Tonnen Anti­biotika an Nutztiere verabreicht. (Quelle: Puls, SRF, «Antibiotika bei Nutztieren– mit Risiken und Nebenwirkungen», Sendung vom 14. Oktober 2013) Die Übertragung von Antibiotikaresistenzen vom Tier auf den Menschen zählt zu einer der grössten Gefahren in der Nutztierhaltung. Bei Milch­kühen ist der Antibiotikaeinsatz häufig, da die stark beanspruchten Zitzen der Hochleistungsmilchkühe sehr empfindlich sind und sich deshalb oft entzünden (Mas­ti­tis). (Quelle: Schweizerbauer, «Mastitis kostet Bauern 250 Millionen Franken pro Jahr», 14.01.2013) Allein für diese Euterbehandlungen werden in der Schweiz jährlich rund zwei Tonnen Antibiotika verbraucht.

Vitamin B12: Nicht nur Veganer supplementieren das Vitamin: Auch bei den Nutztieren gibt es Probleme durch Futtermittel. Auch Nutztieren wird das Vitamin teilweise schon direkt in das nicht artgerechte und zu reine Futter gemischt. Weil zumindest das Kraftfutter auf belasteten Böden gewonnen wird, ist es wenig bis gar nicht Vitamin B12 haltig. 

8. IST KUHMILCH UMWELTFREUNDLICH?

  • Swissmilk behauptet: «Die frische Milch von Lovely wird direkt am Hof abgeholt und in die Molkerei gefahren. Die kurzen Transportwege bedeuten eine tiefere Belastung für unsere Umwelt.»

Auch hier ist klar, dass der Transportweg wohl das geringste Übel der Milchproduktion ist: Die Kuhmilchproduktion verursacht diverse Belastungen: 

  • Hoher Wasserverbrauch – insbesondere der virtuelle Wasserverbrauch ist enorm, der in bereits wasser-gestressten Gebieten verursacht wird. 
  • Grosser Landverbrauch – an Stelle von Tierfutter kann man auch Getreide und Gemüse zum Direktverzehr anbauen, das sehr viele Menschen mehr nähren würde. 
  • Enorme Treibhausgasemissionen – das von Kühen ausgestossene Methan (durch Rülpsen und Furzen) ist rund 25-mal schädlicher als CO2 !

9. KANN MAN NOCH VON FAMILIENBETRIEBEN SPRECHEN?

  • Swissmilk behauptet: «Bäuerliche Familienbetriebe in der Schweiz nennen ihre Kühe gerne bei ihren Namen. Die beliebtesten Namen sind: Fiona, Bella, Nora, Sina und Tina.»

Gemäss BFS hat sich die «...Milchviehhaltung stark verändert, insbesondere hinsichtlich der Haltungsformen und -techniken.» Während die einzelne Kuh immer eine höhere Leistung erbringt, sinkt die Anzahl an Betrieben. Die industrielle Produktion von tierischen Produkten ist verantwortlich für das Aussterben der idyllischen Bauernbetriebe von Familien. 

                                     

10. REPRÄSENTIERT LOVELY WIRKLICH EINE SCHWEIZER KUH?

Lovely stellt mit ihren Hörnern die grosse Ausnahme dar. Kühe in der Swissmilk-Werbung haben noch immer Hörner, obwohl sie und der Bauernverband sich gegen ein Enthornungsverbot ausgesprochen haben. Hörner bei einer Schweizer Kuh sind eine Seltenheit geworden.

 

Beschwerde an die Schweizerische Lauterkeitskommission

Aufgrund der irreführenden Werbekampagne hat Swissveg am 12. März 2018 Beschwerde an die Schweizerische Lauterkeitskommission betreffend unlauterer kommerzieller Kommunikation eingereicht. 

Am 4. Juli hat uns die Lauterkeitskommission ihren Entscheid dazu mitgeteilt. Speziell kritisiert haben wir folgende Behauptung von Swissmilk: Die umweltgerechte und nachhaltige Landwirtschaft «...beschert Lovely und ihren Freundinnen ein gutes Leben». Lovely ist die Protagonistin der Swissmilk-Kampagnen und wird in der Werbung als natürliche, in der Freiheit lebende Kuh (mit Hörnern) dargestellt, die es in der Realität kaum, aber schon gar nicht häufig, anzutreffen gibt.

Unsere Beschwerde wurde von der Lauterkeitskommission abgelehnt. Sie sehen keine Unlauterkeit in der Werbung von Swissmilk. Begründung: Der Durchschnittsadressat gehe davon aus, dass Schweizer Kühe ein «gutes Leben» führen, sofern die Mindestvorgaben der Tierschutzgesetzgebung eingehalten werden. Im Vergleich zu ausländischen Rechtsordnungen gelten sie als streng. Zudem sei «ein gutes Leben» nicht absolut bestimmbar oder objektiv messbar, und letztlich eine rein subjektive Ansichtssache. Nicht beachtet wird dabei, dass das Tierschutzgesetz nur die Grenze zur (illegalen) Tierquälerei festlegt, jedoch nicht automatisch eine tierfreundliche Haltung ergibt.

 

Auch Swissmilk beteuert in seiner Stellungnahme, dass die Standards, nach denen die Schweizer Bauern produzieren, wesentlich strenger sind, als im Ausland. Zudem kritisieren sie an Swissveg, dass der Verein nicht die Lauterkeit von konkreten Werbeaussagen hinterfrage, sondern die bäuerliche Milchwirtschaft als solche und «die milchproduzierenden Bauern als Projektion des Bösen schlechthin dargestellt werden, welche es zu bekämpfen gilt».

 

Swissveg findet den Vergleich zu ausländischen Produktionsrichtlinien keinesfalls als ein Argument, welches es rechtfertigt auszusagen, dass die Milchkühe in der Schweiz ein «gutes Leben führen». Zudem kritisieren wir mit dieser Beschwerde ohne Frage die Werbeaussagen von Swissmilk, welche verschleiern, was mit den sogenannten Nutztieren tagtäglich passiert. Dass wir die Milchwirtschaft als solches nicht begrüssen, streiten wir nicht ab. Es soll uns jedoch nicht verwehrt bleiben, eine konkrete Kampagne von Swissmilk in Frage zu stellen und die Bevölkerung vor «Fake Facts» zu schützen.

 

Auch weiterhin werden wir gegen Unlauterkeit in Werbungen vorgehen. Dafür benötigen wir unbedingt auch Ihre Unterstützung: Werden Sie Mitglied, und fördern Sie den Veganismus in der Schweiz.

 

Haben Sie bereits erkannt, dass Ihre Mutter keine Kuh ist? Dann helfen Sie den Kühen und Kälbern jetzt als Swissveg-Mitglied

 

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